Teletext als Kunstraum

Von |2022-12-09T18:08:09+01:0009.12.2022|Digitalkultur|

Mehr als 16 Millionen Menschen in Deutschland nutzen nach wie vor den Teletext der ARD. Das sagen die von den Öffentlich-Rechtlichen veröffentlichen Zahlen von 2020, dem Jahr, in dem der Videotext des Ersten seinen 40. Geburtstag feierte. Damit hat der Informationsdienst einen deutlich größeren Durchlauf als das bestbesuchte Museum der Welt. Warum dieser Vergleich? Weil der Videotext selbst eine Fläche für außergewöhnliche Kunst sein kann.

„Teletext is Art“ ist der Originaltitel einer Ausstellung, die im September drei Wochen lang auf den Seiten 830 bis 861 des ARD Teletextes und im österreichischen Pendant vom ORF ab Seite 560 zu sehen war. Eine Sammlung von Bildern verschiedener Künstler*innen, die mit den strengen Limitierungen des Mediums spielen. Denn die Teletext-Technologie hat sich seit ihrer Erfindung in England in den 70ern kaum weiterentwickelt. Das hatte sie nie nötig – in der Simplizität liegt schließlich ihr Reiz, praktisch wie ästhetisch.

 

Warum nutzen wir heute noch Teletext?

Der Teletext bietet die Möglichkeit, unabhängig von linearen Nachrichtenformaten in Fernsehen, Radio und Zeitung zielgerichtet auf Informationen zuzugreifen, die von einer Redaktion ständig aktualisiert und dann über das Fernsehsignal übertragen werden. Heutzutage, wo wir gleich mehrere internetfähige Geräte jederzeit in Griffreichweite haben, mag das nichts Besonderes mehr sein, doch die erstaunlich hohen Zugriffszahlen bestätigen, dass das Medium weiterhin seinen Nutzen hat. Der größte Vorteil ist vermutlich der ausbleibende „Medienbruch“ beim Fernsehschauen, der den auf Knopfdruck aufpoppenden Teletext komfortabel konsumierbar macht.

In vielerlei Hinsicht ist der Teletext einem Infoportal im Internet ähnlich. Was im Netz Hyperlinks sind, sind hier dreistellige, über die Fernsteuerung eingegebene Zahlencodes, die hunderte Seiten miteinander verknüpfen. Im Teletext von privaten Sendeanstalten kommt auch Werbung nicht zu kurz – nicht selten aus dem Erotiksegment. Und spätestens da bleibt es nicht bei Buchstaben: Mit viel Raffinesse angefertigte Illustrationen und Bilder entzerren die Textwüste. Da ist sie, die Leinwand für die Teletext-Kunst.

Eine italienische Teletext-Seite aus dem Februar 2022 zeigt ein Verzeichnis für verschiedene Sportarten und eine Illustration einer Figur mit Siegespokal

Der Sportindex im Teletext von Italiens öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt RAI im Februar 2022. Auch zu sehen: eine zum Thema passende Illustration im Teletext-Stil. Quelle: Walter Cicchetti – stock.adobe.com

Wie man Kunstwerke im Teletext erstellt

Die “Leinwand” besteht bei der am meisten verbreiteten Teletext-Implementation aus einem Raster mit 24 Reihen und 40 Spalten. In jedes Feld passt ein Zeichen oder ein Farbelement. In ein Farbelement passen 2×6 „Pixel“. Zur Auswahl stehen die Farben Rot, Grün, Gelb, Blau, Magenta und Cyan sowie Schwarz und Weiß. Klingt kompliziert? Vielleicht hilft beim Veranschaulichen dieser Teletext-Editor mit einblendbarem Raster. Für das Erstellen einer Teletext-Seite stehen jede Menge solcher Tools zur Verfügung. Besonders intuitiv zu bedienen sind die meisten nicht – es besteht also durchaus ein gewisser technischer und handwerklicher Anspruch.

 

Die Kunstwerke im Teletext

Mit dieser Fläche haben insgesamt 15 Kunstschaffende gearbeitet, deren Werke im Rahmen von „Teletext ist Kunst“ im Teletext des Ersten und des ORFs zu sehen waren und die es auf teletextart.com durchgehend zu sehen gibt. Kuratiert wurde die Selektion von den Künstlern Max Haarich und Gleb Divov, die Expertise im Bereich der digitalen Kunst und NFTs (Non-Fungible Token, s. u.) bündeln. Die insgesamt 67 ausgestellten Werke könnten unterschiedlicher kaum ausfallen.

Juha van Ingen präsentiert monochrome Farbflächen in den acht verfügbaren Tönen des Teletexts. Christoph Faulhabers Kreationen dagegen wirken schon fast wie Gemälde, die sich auch ohne den dazugehörigen Titel erkennbar auf historische Ereignisse beziehen. Mamadou Sow dekonstruiert mit einer abstrakten Herangehensweise das Medium Teletext selbst, während Bloom Jr.  mit einer Warhol-Hommage ein Pop-Art-Meisterwerk auf nur wenige Pixel herunterbricht. Ein weiteres übergreifendes Thema scheint die Verhandlung neuartiger Technologie in einem fast aus der Zeit gefallenen Raum wie dem Teletext zu sein: Mittels Filmreferenzen beschäftigt sich Tius mit dem Fortschritt künstlicher Intelligenz und in einzelnen Werken von sp4ce und Kurator Max Haarich stehen Kryptowährungen im Vordergrund.

 

Das große Schlagwort „TeleNFT“

Kryptowährungen sind für die Ausstellung insofern relevant, als dass alle hier ausgestellten Werke zum Verkauf stehen – als NFT, einem sogenannten „nonfungible token“, ein „nicht ersetzbares Objekt“. Der NFT ist, um es sehr simpel und verkürzt zu erklären, ein eindeutig identifizierbarer und praktisch nicht fälschbarer Schlüssel, der beispielsweise digitalen Kunstwerken zugewiesen werden kann. Damit wird ein digitales Werk, das sich im Gegensatz zu einem Gemälde auf Leinwand beliebig oft per Mausklick kopieren ließe, ein unfälschbares „Original“. So kann der Kryptokunst ein Geldwert zugeordnet werden, der vom Interesse der Kundschaft abhängt – so, wie es bei nicht-digitaler Kunst auch der Fall ist.

In diesem neuen Internet-Kunstmarkt werden Summen in Euro-Milliardenhöhe gehandelt – nur eben mit Kryptowährung. Die Auseinandersetzung mit dieser noch jungen Entwicklung in der Kunstgeschichte hatten die Kuratoren der Teletext-Ausstellung von vornherein intendiert. Mehr Infos zum Thema Teletext und NFTs stellen sie auf ihrer eigenen Website TeleNFT.art in englischer Sprache zur Verfügung.

 

Fazit: Wertschätzung eines unterschätzten Mediums

Für jemanden wie mich, der Mitte der 2000er das letzte Mal in einen Teletext geschaut hat, um sich einen überteuerten Klingelton per SMS zu bestellen, ist es erfrischend zu sehen, wie viel Leben noch darin steckt und wie viel Mühe in die Pflege fließt. Die gezeigten Werke der „Teletext ist Kunst“-Ausstellung sind untrennbar mit diesem Medium verbunden. Stünden sie ohne diesen Kontext im Internet, wären sie verwechselbar mit aus der aus der Videospielkunst bekannten Pixelart. Es würde der Bezug fehlen, der sie so besonders macht. Hier hingegen tragen sie zur Wertschätzung eines digitalen Raumes bei, der seit 1980 in jedem deutschen Wohnzimmer existiert – lange, bevor die ersten ISDN-Modems Einzug darin fanden. Und manchmal tritt er selbst in andere Räume ein: Der auch übers Internet abrufbare ARD-Teletext beispielsweise twittert fleißig.

Online-Kunstausstellung: sinnvoll oder wenig überzeugend?

Von |2020-07-14T12:59:46+02:0006.05.2015|Allgemein|

Derzeit findet in Köln die dritte smartkunst statt, eine Ausstellung,  die man sowohl »live« im Kulturbunker als auch im Internet besuchen kann. Die Idee dahinter ist simpel: Sämtliche Werke sind im Netz auf konzentrierte Weise dargestellt, sind mit Werk- und Preisinformationen versehen und es wird auf die jeweilige Webseite des Künstlers verwiesen. Für Interessenten gibt es außerdem einen großen Button „Kaufinteresse“, der auf ein sehr schlichtes Kontaktformular verweist. Das ist eigentlich schon alles. (mehr …)

Nach oben