Don Giovanni in der Oper Lyon
Die Opéra National de Lyon hatte mich netterweise erneut in ihre Stadt geladen. Inzwischen bin ich schon so etwas wie ein »Stammgast«. Es war meine dritte Reise dorthin. Dass ich mir immer wieder die Zeit nehme, in Lyon in die Oper zu gehen, hat mehrere Gründe.
Einer ist sicherlich die Stadt selbst. Sie ist einfach herrlich. Der historische Stadtkern liegt eingebettet zwischen zwei Flüssen (Saône und Rhône) und erstreckt sich von dort aus auf die umliegenden Hügel. Überquert man die Saône über eine der schönen Fußgängerbrücken, landet man im sogenannten Seidenviertel – ein uralter Stadtteil, der zum UNESCO Weltkulturerbe ernannt wurde. Der alte Kern ist baulich wunderschön, die Stadt steckt voller Überraschungen und zieht einen vollkommen in ihren Bann. Man kann sie sehr gut erlaufen und findet hinter jeder Ecke, nach jeder Gasse wieder etwas Besonderes. Gerade im Seidenviertel stößt man zwischen uralten Häusern auf viele interessante und einladende Geschäfte und Restaurants.
Ein zweiter Grund, der eine Opernreise nach Lyon besonders macht, ist das Operngebäude selbst. Es prägt das Stadtbild in besonderer Weise: Mit ihrer schwarzen Kuppel und der interessanten Architektur ist die Oper eine Art Wahrzeichen, und man kann sich an ihr – wie hier bei uns am Kölner Dom – von vielen Stellen der Stadt aus orientieren. Aber die Oper Lyon ist nicht nur als Gebäude bemerkenswert. Egal, wann man an ihr vorbeigeht, immer herrscht um das Gebäude herum ein reges Treiben. Es werden vor der Oper kleine Konzerte gegeben, man kann den Streetdancern zusehen und viele Menschen sitzen im Café. Das kenne ich in dieser Form aus keiner anderen Stadt.
Don Giovanni: die Handlung
Last but not least ist es natürlich der Opernbesuch, der mich jedes Mal aufs Neue begeistert. Diesmal hatte ich mich entschieden, Don Giovanni anzusehen. Die recht lange und »aufgedrehte« Mozart-Oper handelt von einem Frauenheld, der laut seines Dieners Leporello schon mehr als 1.000 Frauen verführt hat. Zu Beginn der Oper diskutiert er mit einem seiner »Opfer«, der unglücklichen Donna Anna. Ihr Vater, der Komtur, kommt hinzu, und Don Giovanni tötet ihn im Streit. Danach nimmt das Schicksal seinen Lauf. Er begegnet der nächsten Frau, die er erobern möchte, um dann festzustellen, dass diese eine seiner Ex-Eroberungen ist, Donna Elvira. Sie macht ihm eine Szene, der er knapp entfliehen kann. Doch nur, um Minuten später auf ein bäuerliches Brautpaar zu treffen, bei dem er für Unruhe sorgt, weil er die Braut (Zerlina) in sein Bett bekommen möchte. Nach vielen Auseinandersetzungen mit den verschiedenen Frauen und ihren Männern endet die Oper, weil die Statue des getöteten Komturs lebendig wird, Don Giovanni heimsucht und ihn in der Erde verschwinden lässt.
Die Inszenierung
Ich war gespannt, wie der Regisseur David Marton in Zeiten von #MeToo dieses Thema des amoralischen Frauenverführers wohl umsetzt. Ich hatte mir etwas Besonderes erwartet – wie bei meinen bisherigen Besuchen in Lyon –, wurde diesmal aber ein wenig enttäuscht. Die Inszenierung war ordentlich, hat mich aber nicht begeistert. Das Bühnenbild ist ein großer Raum in Betonoptik mit runden Öffnungen an zwei Seiten, die sehr eindrucksvoll wirken. Die Kostüme bildeten verschiedene Zeiten ab: Überwiegend modern, gab es einigen Stellen Anspielungen auf den historischen Kontext. Gon Giovanni (Philippe Sly) wird als sehr naiver, wenig einsichtiger und etwas hilfloser Mann dargestellt, der ziel- und haltlos den Frauen – egal welcher Art – verfällt. Er ist ständig ein wenig leidend, ob der vielen Schwierigkeiten, in die er immer wieder gerät. Sein Diener Leporello (Kyle Ketelsen) ist die deutlich weitsichtigere und intelligentere Figur. Was mich an der Inszenierung sehr gestört hat: Die sowieso schon sehr lange, sich oft wiederholende Handlung wurde durch David Marton noch weitergedehnt, da er immer wieder Musikpausen und an einer Stelle sogar einen langen zusätzlichen Dialog des Don Giovanni einbaut. Statt Tempo in Bild und Handlung zu bringen, inszenierte er die Oper eher statisch und teilweise wie in Zeitlupe. Vor allem die aus meiner Sicht völlig kontraproduktiven Verlängerungen hätte man sich in jedem Fall sparen sollen, denn die Oper fordert auch so bereits ein geduldiges Publikum.
Gelungene Besetzung, tolle Orchesterleistung, fideles Publikum
Sehr begeistert war ich dagegen von der Besetzung. Die drei weiblichen Hauptfiguren Donna Anna (Eleonora Buratto), Donna Elvira (Antoinette Dennefeld) und Zerlina (Yuka Yanagihara) ebenso wie Leporello und Don Giovanni haben mich schauspielerisch wie auch gesanglich sehr angesprochen und begeistert. Sie haben die Handlung getragen und durch ihre sympathische und engagierte Art über die teilweise vorhandenen Längen hinweggeholfen. Ihnen und dem Orchester galt dann am Ende auch der Applaus.
Überzeugt hat mich außerdem wieder einmal das Publikum in Lyon. Die Oper war an einem ganz normalen Wochentag mit überragendem Wetter komplett ausgebucht. Das Publikum kam – wie es in Deutschland niemals zu erleben wäre – auf die letzte Minute und füllte den Saal mit frohmütigen Stimmen. Es war extrem gemischt, sowohl im Alter als auch im Stil, und versprühte viel gute Laune. Und obwohl man sehr deutlich merkte, dass nicht nur mir die Oper sehr lang (und manchmal auch ein wenig langweilig) vorkam, blieben sie alle munter dabei und zollten am Ende den Sängerinnen und Sängern ihren Respekt und Beifall. Das hat mich sehr beeindruckt.
Mit anderen Worten: Es gibt viele Gründe, eine Opernreise nach Lyon auf die Reiseplanung zu setzen. Egal wie einem die Inszenierung gefällt, man wird keinesfalls enttäuscht zurückkehren.
Die weiteren Termine für Don Giovanni unter:
https://www.opera-lyon.com/fr/20172018/opera/don-giovanni
Bildverweis: Szenenbild © Jean-Pierre Maurin und © Christian Friedländer
Sabine Haas
Sie gründete 1994 das result Markt- und Medienforschungsinstitut, 2007 folgte eine Webagentur, im Jahr 2011 der Geschäftsbereich Beratung. Als Kennerin der alten wie auch Neuen Medien gehört sie zu den gern gesehenen Speakerinnen bei Fachveranstaltungen & Kongressen rund um das Thema "Digitaler Wandel/Medienwandel".
Weitere Beiträge
Schöner Blog
Danke, Andi!