Ein wunderbarer Turandot an einem bezaubernden Ort

Schon seit einigen Jahren besuche ich regelmäßig die Festspiele Immling, ohne darüber auf diesem Blog je berichtet zu haben. Das Opernfestival im Chiemgau gehört zu unserem festen Sommerferienprogramm, wenn wir in Bayern unseren Urlaub verbringen. Es ist etwas Besonderes und so habe ich mir dieses Jahr vorgenommen, hier darüber zu berichten.

Ein besonderes Flair

Was Immling so einmalig macht, ist in erster Linie die Location. Das Gut Immling ist ein Gnadenhof, auf dem sich ein ganzer Zoo von hilfsbedürftigen Tieren tummelt: Esel, Hängebauchschweine, Lamas, Pferde und Kühe empfangen die Opernbesucher, die mit Shuttle-Bussen zu dem abgelegenen Bauernhof im Chiemgau gebracht werden. Von Scheunen, Nebengebäuden und einer großen „Reithalle“ (der Spielort) umgrenzt, eröffnet sich ein geräumiger Innenhof, der mit Sitzgelegenheiten und üppigen Blumenbeeten gestaltet ist und von dem aus man einen wunderbaren Blick über den Chiemgau hat. Eine Idylle bei schönem Wetter und ein Abenteuer bei Regen und Gewitter.

Das Ehepaar Cornelia von Kerssenbrock und Ludwig Baumann haben in dieser besonderen Umgebung ein Opernfestival auf die Beine gestellt, das sich sehen lassen kann. Seit 1997 werden in Immling jeden Sommer Opern auf die Bühne gebracht, inzwischen in hoher Professionalität. Auf dem Programm stehen dieses Jahr die Opern „Don Giovanni“, „Turandot“, die Operette „Die Fledermaus“ und „Shrek – Das Musical“

Ausgerechnet Turandot

Weil ich Don Giovanni schon recht oft gesehen habe, haben wir uns für einen Besuch von Turandot entschieden. Ehrlich gesagt, war ich etwas skeptisch: Nachdem ich Turandot in Düsseldorf gesehen hatte und dort etwas enttäuschend fand, war ich nicht sicher, ob das „kleine“ Immling diese große Oper überzeugend auf die Bühne bringen kann. Ich sah mich schon eine eher mäßige Kritik schreiben.

Auch Dramaturg Florian Maier machte in der Werkeinführung deutlich, dass Turandot für Immling eine Herausforderung darstellt. Er berichtete, dass das Orchester erweitert und der Orchestergraben eigens für die Vorstellung vergrößert werden musste. Auch der Chor wurde vergrößert, und mit insgesamt bis zu 50 Darstellern sei die Bühne gut gefüllt.

Ein Märchen voller Emotion

Die Geschichte von Turandot basiert auf einem Märchen und wurde von Giacomo Puccini märchenhaft umgesetzt. Mit opulenter Musik, eindrucksvollen Chorszenen und bewegenden Arien ist es eine von Anfang bis Ende sehr emotional angelegte Oper. Nur wenn es gelingt, die intensive Emotionalität glaubwürdig zu vermitteln, entfaltet sie ihre Wirkung und zieht das Publikum in ihren Bann.

Vielleicht ist Turandot deswegen so übervoll an Gefühl, weil es Puccinis letztes Werk war. An Kehlkopfkrebs erkrankt, schrieb er in seinen letzten Lebensmonaten an der Geschichte der eiskalten Prinzessin, die Männer verachtet und ihre Heiratskandidaten durch eine fast unlösbare Prüfung der Reihe nach in den Tod schickt. Puccini konnte die Oper nicht mehr vollenden. Sein Werk endet im dritten Akt mit dem Tod der Sklavin Piu, die für den Prinzen Calaf stirbt, dessen Namen Turandot nicht erfahren darf. Die letzte Viertelstunde wurde von einem Zeitgenossen Puccinis, Franco Alfano, erdacht. Er schenkte der Oper ein „Happy End“: Turandots Herz wird von Prinz Calaf erobert und sie löst sich aus ihrer Eiseskälte.

Eindrucksvoll, aber nicht kitschig

Eine Inszenierung der Oper Turandot stelle ich mir nicht einfach vor. Der große Pathos des Stücks und die notwendige große Besetzung verleiten dazu, auch die Umsetzung entsprechend bombastisch zu gestalten. Gerne wird Turandot daher auch in entsprechender Kostümgewalt als Riesenspektakel auf Freilichtbühnen gebracht.

Calaf und Turandot mit Ensemble Turandot, Foto Verena von Kerssenbrock

Immling ist es gelungen, die Inszenierung bestens auszubalancieren: mit projizierten, leicht verwaschenen Stadtszenen zum Beispiel aus Hongkong wurde eine fremdländische und märchenhafte Kulisse geschaffen, die zugleich modern anmutet. Eine einfache weiße Treppe als Bühnenaufbau sorgt für gelungene Perspektiven mit einfachsten Mitteln: So erscheinen der Kaiser von China und seine Tochter Turandot immer oben auf dem Treppenabsatz, während der Prinz Calaf und die Sklavin Liu meist unten vor der Treppe positioniert sind.

Der Chor ist schlicht weiß gekleidet und trägt weiße Masken, die übrigen Darsteller tragen chinesische Kostüme, die in ihrer Wirkung zurückgenommen sind, weil man die Jeans darunter jederzeit sehen kann.

Eine kluge Inszenierung, extrem wirkungsvoll und während der gesamten Oper voller Dynamik.

Tolle Stimmen, überzeugend vorgetragen

Vollkommen stimmig zu Bühnenbild und optischer Gestaltung war für mich die darstellerische Leistung aller Beteiligten. Sowohl schauspielerisch als auch gesanglich passte jeder Mitwirkende zu seiner jeweiligen Rolle.

Hervorzuheben ist vor allem Beatriz Díaz als Liu, die komödiantischen Rollen der Minister Ping, Pang und Pong (Luthando Qave, Yu Hsuan Cheng und Sergiu Saplacan) sowie die Hauptdarsteller Thomas Paul als Calaf und Trine Møller als Turandot.

Aber auch alle übrigen, allen voran Chor und Orchester, haben ihre Sache großartig gemacht. Sicherlich nicht zuletzt auch durch die gekonnte musikalische Leitung von Cornelia von Kerssenbrock, die das Orchester überzeugend dirigiert hat.

Puccinis Oper Turandot wurde in Immling in prachtvoller Weise auf die Bühne gebracht: Emotional, opulent, aber niemals verkitscht oder überdreht. Ein toller Abend!

Ein wunderschöner Abend, der mit dem letzten Akt nicht endet

Mit dem Ende der Opernaufführung ist in Immling der Abend noch nicht zu Ende. Auch dies ist eine Besonderheit des Festivals. Es folgt die „Après Opéra“. Wenn man eine Karte für das Buffet-Zelt erwirbt, kann man noch viele Stunden mit den Künstlern gemeinsam im Zelt feiern und ein gutes Essen genießen. Es hat Tradition, dass die Sängerinnen und Sänger im Zelt immer wieder die Bühne betreten und mit unterhaltsamen oder bewegenden Gesangs- und Musikeinlagen überraschen. Der Abend im Festzelt verläuft jedes Mal anders und neu. Er bleibt ebenso in Erinnerung wie die Oper selbst – manches Mal sogar noch mehr.

Die letzte Aufführung von Turandot ist übrigens am 10.8. und lohnt sicher einen Besuch.

Ansonsten: Sollte man seinen Urlaub im Chiemgau verbringen, lohnt es sich, das Opernfestival Immling mit einzuplanen.

Sabine Haas

Sie gründete 1994 das result Markt- und Medienforschungsinstitut, 2007 folgte eine Webagentur, im Jahr 2011 der Geschäftsbereich Beratung. Als Kennerin der alten wie auch Neuen Medien gehört sie zu den gern gesehenen Speakerinnen bei Fachveranstaltungen & Kongressen rund um das Thema "Digitaler Wandel/Medienwandel".

Kommentare

  1. […] Wie kommt man auf die Idee, einen Gnadenhof für Pferde zu einer Opern-Spielstätte zu machen? Was ist das Besondere an den Opernfestspielen in Immling neben der außergewöhnlichen Spielstätte? Und wie begeistert man junge Menschen für die Oper? Diese und ähnliche Fragen beantwortete Cornelia von Kerssenbrock in einem Gespräch mit mir am Rande der vergangenen Opernfestspiele. […]

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