Hänsel und Gretel in der Oper Stuttgart: Bildgewaltig und sehr unterhaltsam

Vergangenes Wochenende bin ich der Einladung der Staatsoper Stuttgart gefolgt und habe gemeinsam mit meiner erwachsenen Tochter die Premiere von Engelbert Humperdincks Oper Hänsel und Gretel besucht, inszeniert von Axel Ranisch.

Ich kannte Humperdincks Oper bislang nicht, obwohl sie häufig als „Kinderoper“ aufgeführt wird. Außerdem war ich auf die Inszenierung von Axel Ranisch gespannt, der als Film-, Theater- und Opernregisseur schon sehr viele spannende Projekte vorzuweisen hat. Wir haben den Opernbesuch also auf eine kleine Wochenend-Reise ausgedehnt und bei sehr mäßigem Wetter Stuttgart besucht.

Die Premiere war am Sonntag um 17 Uhr. Durch die frühe Uhrzeit war die Vorstellung auch für Kinder bestens geeignet, dennoch überwogen die erwachsenen Besucherinnen und Besucher. Das Opernhaus war ausgebucht, was in diesen Zeiten ein seltener Anblick ist. Durch 2G und Maske fühlte man sich dennoch sehr sicher.

Aufgeführt wurde im Staatstheater, einem recht prunkvollen Gebäude, das ursprünglich 1909 bis 1912 von Max Littmann erbaut und in den 1980er Jahren restauriert wurde. Derzeit wird gerade die erneute Sanierung des Gebäudes geplant, das vor allem in seiner technischen Ausstattung nicht mehr ganz zeitgemäß ist. Das Staatstheater liegt wunderbar zentral und war von unserem Hotel aus fußläufig gut zu erreichen.

Der Märchenklassiker als Untergangszenario

Die Handlung von Hänsel und Gretel muss an dieser Stelle nur kurz erzählt werden, denn die kennen wohl die meisten von uns. In der Oper von Humperdinck ist sie in drei Bildern zusammengefasst, die recht straff durch die Geschichte führen: In Akt 1 sind die Kinder allein zu Hause und warten auf die Eltern. Statt die aufgetragenen Arbeiten zu erledigen, spielen und tanzen sie, bis die Mutter sie erzürnt überrascht. In Akt 2 werden die Kinder in den Wald geschickt, um Erdbeeren zu suchen und verirren sich dort in der hereinbrechenden Nacht. Die Eltern machen sich mittlerweile Sorgen und gehen auf die Suche nach ihnen. Akt 3 schließlich zeigt das Zusammentreffen mit der Hexe, die die Kinder essen will, aber durch Gretels Schlauheit selbst im Backofen landet.

Axel Ranisch hat Humperdincks Oper temporeich umgesetzt und beeindruckt uns mit einem imposanten und märchenhaften Bühnenbild. Schon zu Beginn während der achtminütigen Ouvertüre zieht uns das Geschehen auf der Bühne in Bann: Es wird auf riesiger Leinwand über die gesamte Bühnenbreite und -höhe ein Animationsfilm gezeigt, der auf Ranischs Interpretation der Oper einstimmt. Gezeigt wird eine langsame Kamerafahrt durch einen Wald, in dem Müll lagert, der teilweise in Flammen steht. Es ist ein Endzeitdrama, das Ranisch heraufbeschwört, in dem die kinderfressende Hexe mit ihrer makabren „Lebensmittel-Produktion“ – einer speziellen Bonbon-Fabrik – die Einzige ist, die genug zu essen produzieren kann.

Viel schwarzer Humor und wunderbare Bilder

Obwohl das alles sehr schauerlich klingt, hat Ranisch seine Inszenierung mit viel Humor und einem Augenzwinkern umgesetzt. Der düstere Wald wirkt immer auch schön, vor allem die aus hängenden Stoffbahnen herausgeschnittenen Bäume haben mir sehr gefallen. Das gesamte Bühnenbild ist ästhetisch sehr gut gelungen und wirkt stimmig, bei allem Grusel jederzeit auch ein wenig skurril-witzig. Auch die Lichteffekte sind perfekt gesetzt und tauchen das Geschehen in wunderbare Farben.

Besonders das Hexenhaus und ihre Drops-Produktion sind poppig bunt und mit viel Sinn für schwarzen Humor ins Bild gesetzt. Im Hintergrund sieht man die „Lebensmittelproduktion“:  Die Kinder werden mit Roboterarmen in die Produktion befördert und enden als bunte Bonbons in einer gläsernen Röhre. Die Hexe selbst wird dargestellt als smarte Business-Frau, die gute Geschäfte mit den aus Kindern produzierten süßen Drops zu machen scheint.

Schwungvolle Orchestermusik und gute Sänger*innen

Neben diesem optischen Feuerwerk gehen die Protagonisten in keiner Weise unter. Vor allem die Hauptfiguren Hänsel und Gretel haben mich sehr überzeugt. Josefin Feiler spielt und singt Gretel als emotionales und zugleich „taffes Mädchen“, das sich gegen die Hexe zu wehren weiß. Und Mezzosopran Ida Ränzlöv gibt einen leichtsinnigen und verspielten Hänsel, der es im Vergleich zu seiner Schwester an Vernunft etwas fehlen lässt. Beide haben toll gesungen und passten sehr gut in die Inszenierung.

Ebenfalls sehr überzeugend und sympathisch wirkte auf meine Tochter und mich die Besetzung der Eltern. Shigeo Ishino spielt einen sehr sympathischen Vater, allerdings wirkt sein Charakter fast zu positiv, da er zum einen als Trinker, zum anderen in der Jacke der Hexen-Helfer auch als Teil des Systems gezeigt wird. Catriona Smith als Mutter füllt ihre Rolle der bitterarmen Frau ebenfalls sehr gut aus. Gleiches gilt für die Hexe, gesungen von Rosie Aldrige.

Einen tollen Job haben auch Orchester und Chor gemacht. Das Dirigat von Alevtina Ioffe war schwungvoll und wuchtig, passend zum bombastischen Geschehen auf der Bühne.

Uns hat der vergleichsweise kurze Opernabend (knapp zwei Stunden) sehr viel Spaß gemacht. Trotz aller Untergangsszenarien hat Ranisch Humperdincks Oper mit leichter Hand inszeniert und uns mit so viel guter Laune versorgt, dass uns auch die Untergangsstimmung draußen mit Sturm und peitschendem Regen die Stimmung an diesem Abend nicht trüben konnte.

Schaut es Euch gerne selbst an! Weitere Vorstellungen findet Ihr auf der Website der Oper Stuttgart.


Bilder: Matthias Baus

Sabine Haas

Sie gründete 1994 das result Markt- und Medienforschungsinstitut, 2007 folgte eine Webagentur, im Jahr 2011 der Geschäftsbereich Beratung. Als Kennerin der alten wie auch Neuen Medien gehört sie zu den gern gesehenen Speakerinnen bei Fachveranstaltungen & Kongressen rund um das Thema "Digitaler Wandel/Medienwandel".

Kommentare

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