Jonas Kaufmann als Dichter und Revolutionär – hinreißende Stimmen, wuchtiges Bühnenbild, außergewöhnliches Publikum
Das habe ich mir gewünscht und dann tatsächlich geschenkt bekommen: Den Besuch einer Opernvorstellung mit Tenor Jonas Kaufmann. Um dieses Geschenk „einzulösen“, war ich am vergangenen Wochenende in München in der Vorstellung „Andrea Chénier“ von Umberto Giordano in der Bayerischen Staatsoper.
Ich war auf das Opernhaus sehr gespannt, denn die Bayerische Staatsoper kenne ich aus dem digitalen Raum. Dort sind sie sehr fleißig unterwegs mit vielen netten Beiträgen, zum Beispiel einem sehr gelungenen Mannequin Challenge:
Mannequin Challenge der Bayerischen Staatsoper
Die Oper „Andrea Chénier“ kannte ich nicht, war aber neugierig, weil ich las, dass sie die Französische Revolution zum Thema hat. Konnte ja eigentlich nur interessant werden.
Bei schönem Frühlingswetter und wunderbarer Stimmung in München (die können Frühling wirklich gut zelebrieren), kamen wir beim Staatstheater an. Das Gebäude ist unglaublich imposant und schön, mit viel Stuck, prunkvollen Treppenhäusern und was man sonst noch so braucht.
Auf der Freitreppe konnte man vor der Vorstellung bei Sekt den Sonnenuntergang betrachten, vor einer wunderschönen München-Kulisse. Zauberhaft! Aber schon da fiel auf, dass man es hier – zumindest an diesem Abend – mit einem „speziellen Publikum“ zu tun hatte.
Der Stuck des Gebäudes prunkte um die Wette mit der Garderobe der Gäste. Die Lockerheit, die die Bayerische Staatsoper im Netz repräsentiert, war vor Ort komplett verschwunden. Nahezu einheitliches Publikum (bis auf einige internationale Gäste) aus der Münchener Schickeria strahlte für mich eine sehr unangenehme Oberklasse-Arroganz aus. Ich meine: Die Oper am Rhein hat ja auch teilweise spezielles Publikum, aber dieser Abend in München hat das deutlich überboten.
Prunk, Kitsch, Romantik und viel Gefühl waren insgesamt das Leitmotiv des Abends. So auch bei der Oper selbst.
Die Story
Die Geschichte handelt von einem Dichter zu Zeiten der Französischen Revolution. Er wird vom Adel eingeladen und mokiert sich über die Ignoranz der gehobenen Klasse gegenüber den Armen des Landes. Eine Adelstochter verliebt sich in ihn, während er in den Wirren der Revolution mitmischt. Beide geraten in Lebensgefahr: Sie als Adlige, er als in Ungnade gefallener Revolutionär. Es endet, wie Oper so oft endet: Beide sterben unter der Guillotine. Auch hier: Große Gefühle, großartige Arien, viel Emotion.
Das Bühnenbild
Die Bayerische Staatsoper kann – wie ich gelernt habe – mit ca. 2.000 qm die zweitgrößte Bühne der Welt aufweisen. Da kann man einiges an Bühnenbild unterbringen. Das wurde auch gemacht: Die Oper spielte in einem dreistöckigen Gebäude, in dessen Querschnitt man hineinschauen konnte. Im Keller wuselte das Gesinde, darüber tanzte der aufgetakelte Adel. Eine schöne Versinnbildlichung der sozialen Konflikte dieser Zeit. Die Inszenierung war durch diese Gestaltung wuchtig und mit den Originalkostümen überaus bildmächtig. Es wirkte fast schon überladen, aber die Stimmigkeit der Darstellung und die gute Komposition der einzelnen Bilder war am Ende überzeugend. Pompös, aber durchaus sehr schön anzusehen.
Witzig fand ich die Parallelität zwischen der prunkvollen Adelswelt über den Köpfen des Adels und dem prunkvollen Zuschauersaal sowie seinen Gästen, die sich über die Klassen-Ungleichheit im historischen Frankreich belehren ließen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Die Sänger
Ich habe ja schon mehrfach erwähnt, dass ich mich als interessierter Laie in Sachen Oper sehe. Vor allem die musikalische Seite kann ich nur begrenzt fachgerecht bewerten, da ich keine musikalische Vorbildung besitze. Aber hier habe selbst ich gemerkt: Alle drei Hauptdarsteller Anja Harteros, Jonas Kaufmann und Luca Salsi hatten einfach wunderbare Stimmen. Sie haben sich geradewegs in die Herzen gesungen, unglaublich gut, unglaublich überzeugend, unglaublich stark. Dazu waren alle drei überaus sympathisch in ihrer Ausstrahlung und extrem authentisch in ihren Rollen. Eine grandiose Leistung. Das fand auch das Publikum, das sich mit Begeisterungsrufen und lang anhaltendem Applaus bedankte.
Mein Fazit: Ich muss auf jeden Fall noch einmal nach München, um zu schauen, ob die da immer so aussehen. Und wenn Ihr nach München fahrt und Zeit für die Oper haben solltet: Ein Besuch von Andrea Chénier lohnt in jedem Fall (die Karten sind allerdings alles andere als günstig).
Bild: Pressefoto Bayerische Staatsoper
Sabine Haas
Sie gründete 1994 das result Markt- und Medienforschungsinstitut, 2007 folgte eine Webagentur, im Jahr 2011 der Geschäftsbereich Beratung. Als Kennerin der alten wie auch Neuen Medien gehört sie zu den gern gesehenen Speakerinnen bei Fachveranstaltungen & Kongressen rund um das Thema "Digitaler Wandel/Medienwandel".
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Ich nuss mal wieder in die Oper gehen. Vielen Dank für den interessanten Artikel und schöne Grüsse aus Osnabrück.