Kultur in Zeiten des digitalen Wandels
Als Herausgeberinnen eines Kultur-Blog hat uns die Frage zur Blogparade von Tanja Praske: »Was ist Kultur für mich?« natürlich sofort zum Nachdenken angeregt.
Also: Was ist für uns Kultur?
Hier auf diesem Blog geht es um die digitalen Phänomene der Kultur. Um Kultur, Kunst, Kreatives in Zeiten der Vernetzung. Dieses Thema treibt uns um, weil wir finden, dass die Digitalisierung für Kunst- und Kultureinrichtungen eine Chance darstellt, die sie nicht ungenutzt lassen dürfen. Aber warum ist es nicht selbstverständlich für Kunst und Kultur, Teil des digitalen Raums zu sein? Und wo genau liegen die Chancen eigentlich? Die Antworten auf diese Fragen zeigen, was Kultur für uns ausmacht. Dazu drei Thesen:
These 1: Kunst und Kultur ist bunt, vielseitig und individuell
Kunst und Kultur im engeren Sinne zeichnet sich durch schöpferische und kreative Freiheit aus. Sie sind Ausdruck eines oder mehrerer Schaffenden und orientieren sich nicht in erster Linie an den Interessen des Publikums. Damit wird das Angebot der Kunst und Kultur enorm breit und vielfältig. Es im digitalen Raum zu platzieren und dort mit den jeweiligen Publika und Interessentengruppen zu verknüpfen. Genau das ist allerdings in der Regel eine große Herausforderung. Das Relevanzkriterium der Reichweite oder der Zustimmung mittels »Likes« ist für Kulturangebote selten entscheidend. Es muss vielmehr andere Ansatzpunkte und Möglichkeiten geben, um den Erfolg von Kultur im digitalen Raum herbeizuführen und sichtbar zu machen. Eine schwierige Aufgabe, die Kultureinrichtungen gerade jetzt mit viel Energie zu lösen versuchen.
These 2: Kultur lebt von Beziehungen und Emotionen
Kultur wird – aus unserer Sicht – nur lebendig durch sein Publikum. Erst die Beziehung zwischen Schaffenden und Konsumenten macht Kultur und Kunst zu einem Erlebnis. Für den digitalen Raum bedeutet das ein enormes Potenzial: Kunst und Kultur rücken an ihr Publikum heran, kommen nahe und werden greifbar. Das verstärkt das Erleben von Kunst und Kultur und kann die Bindung zwischen Publikum und Angebot deutlich verstärken. Ein schönes Beispiel für ein solches »Heranrücken« im digitalen Raum ist für uns @WDR3. Der Radiosender rückt den Menschen deutlich näher, seit er im Netz verfügbar und »anfassbar« geworden ist.
These 3: Kultur ist ein Instrument der »stillen Vernetzung«
Kunst und Kultur hatten schon immer die Fähigkeit zur Vernetzung. Noch vor einigen Jahren gab es beispielsweise hierzulande eine klassische Definition des linksintellektuellen und konservativen Bildungsbürgers. Diese Gruppierungen hatten ein klares Verständnis darüber, welche kulturellen, medialen und künstlerischen Angebote sie repräsentieren und worüber man einen Konsens pflegt (so las beispielsweise der konservative Bildungsbürger Mann, der linksintellektuelle Hesse.) Die Gleichheit in den kulturellen Interessen schaffte eine Art »stille Vernetzung« und ließ diese Gruppe im öffentlichen Raum als Meinungsführer homogen auftreten. Inzwischen hat sich die »Bildungsbürger-Konformität« aufgelöst. Man kann durchaus Hesse lesen und Rosamunde Pilcher gleichermaßen. Die Heterogenität der Interessen ist groß geworden, die Lobby für Kunst und Kultur ist nicht mehr homogen. Dennoch lässt sich über kulturelle Interessen immer noch eine Vernetzung herstellen. In Zeiten der Digitalisierung nutzen viele Menschen die Möglichkeiten des Social Web, um kulturelle Gleichgesinnte zu finden und sich mit diesen auszutauschen. Für Kunst und Kultur ist diese Kraft zur Vernetzung eine große Chance für die Zukunft.
Unser Fazit
Sicher umreißen diese drei oben genannten Aspekte nur einen kleinen Ausschnitt der vielseitigen Definitionen von Kunst und Kultur. Wir finden allerdings, dass die genannten Thesen derzeit ein besonderes Augenmerk verdienen und deutlich stärker in den Fokus rücken sollten. Für uns sind sie ein wichtiger Schlüssel für den Erfolg von Kunst und Kultur in der digitalen Zukunft.
Sabine Haas
Sie gründete 1994 das result Markt- und Medienforschungsinstitut, 2007 folgte eine Webagentur, im Jahr 2011 der Geschäftsbereich Beratung. Als Kennerin der alten wie auch Neuen Medien gehört sie zu den gern gesehenen Speakerinnen bei Fachveranstaltungen & Kongressen rund um das Thema "Digitaler Wandel/Medienwandel".
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Liebe Sabine!
Toller Artikel! Kurz und prägnant und du sprichst mir aus der Seele!! Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen!
LG, Katharina
Liebe Sabine,
ein schönes Bild, das du da entworfen hast mit den Gleichgesinnten, die sich auch über die Kultur in den sozialen Netzwerken verbinden. Das ist eine große Community, die sich allerdings auch immer wieder die Frage stellt, wie sie die Menschen außerhalb erreicht. Darüber gilt es weiter nachzudenken.
Herzliche Grüße von Anke
Ich danke sehr für die Kommentare. Und richtig: Die „Digitalen“ und „Analogen“ fallen derzeit etwas auseinander und es sollte nach Wegen gesucht werden, beide Gruppen zu verbinden.
Ein schöner Artikel. Würde man diesen in Farben malen, käme ein interessantes Bild zustande.
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