Eine preisgekrönte Inszenierung von Don Giovanni in Essen

Es war eine sehr spontane Entscheidung, am Pfingstwochenende ins Aalto-Theater in Essen zu fahren. Unser Sohn hat im Musikunterricht Don Giovanni behandelt und wollte die Oper unbedingt sehen. Da in Essen an Pfingsten die letzte Aufführung der Mozart-Oper für diese Saison zu sehen war, haben wir uns noch kurzfristig Karten für die Vorstellung besorgt. Eine gute Entscheidung, wie sich herausstellte.

Don Giovanni hatte ich schon in Lyon gesehen, damals allerdings in einer Inszenierung, die mich nicht überzeugt hatte. Nun war ich auf Essen gespannt: Hier lief die Wiederaufführung einer Inszenierung von 2007, mit der Stefan Herheim damals von der „Opernwelt“ zum Regisseur des Jahres gewählt wurde. Wir hatten also große Erwartungen an diesen Abend.

Ein Frauenverführer und sein Diener auf der Jagd

Die Handlung der Oper erzählt die Geschichte des Frauenverführers Don Giovanni. Er und sein Diener Leporello versuchen mit allen Mitteln, ständig und unermüdlich neue Geliebte für Don Giovanni aufzutun und zu verführen. Zu Beginn der Oper dringt die Titelfigur bei Donna Anna ein und belästigt sie. Jedoch kann sie sich von ihm befreien und ruft nach Hilfe. Ihr Vater, der Comte, wird von Don Giovanni im Kampf getötet, als er Donna Anna zur Hilfe eilt. Das berührt den Verführer wenig, er stürzt sich gleich in das nächste Abenteuer, bei dem er zu spät merkt, dass es sich um eine seiner vielen Verflossenen handelt. Also sucht er weiter und stößt auf ein junges Bauernpaar kurz vor der Hochzeitsfeier. Rücksichtslos macht er sich an die Braut heran. Obwohl Leporello von der Morallosigkeit und Zügellosigkeit seines Dienstherrn entsetzt ist, unterstützt er ihn immer weiter in seinen Verführungsplänen. Viele Verwicklungen nehmen ihren Lauf und die Handlung ist recht turbulent und bunt, bis am Ende die Statue auf dem Grab des Comte lebendig wird und Don Giovanni in die Hölle befördert.

Erotik-Sünden in kirchlichem Kontext

Stefan Herheim hatte die Idee, die Geschichte in einen kirchlichen/klösterlichen Rahmen zu versetzen. Leporello trägt das Ornat eines Pfarrers, das Bühnenbild stellt eine Kirche dar, die „Liebeshöhle“ ist der Beichtstuhl. Damit wird die unbändige Liebeslust von Don (San?) Giovanni in einen göttlichen Kontext gesetzt und Erotik als religiöses Phänomen stilisiert. Für mich, im Kontext der Berichte über sexuelle Übergriffe katholischer Kirchenmitarbeiter, ist die Inszenierung auch ein stückweit als Kirchenkritik zu verstehen.

Dynamische Inszenierung für vielseitige Interpretationen

Egal, wie man es deutet: Das Bühnenbild und die Kostüme passen gut zu der vielschichtigen Handlung der Oper, denn auch sie sind äußerst vielseitig angelegt und lassen viel Raum für Interpretation. Besonders gelungen finde ich die große Dynamik und das rasante Tempo der Inszenierung. Die dreieinhalbstündige Oper wird an keiner Stelle langweilig: Das sich ständig bewegende Bühnenbild und der häufige Kostümwechsel sorgen für immer neue Eindrücke. Die Wiederholungen, welche die Mozart-Oper durchaus hat, werden dadurch nicht zu unangenehmen Längen, sondern lassen den Zuschauer jederzeit gebannt der rasant in Szene gesetzten Handlung folgen.

Ausgesprochen bewegende Charaktere mit lebhaftem Orchester

Überzeugend und emotional überaus berührend sind an diesem Abend auch die Interpreten: Die Titelrolle singt Bariton Modestas Sedlevičius, der nicht nur als Sänger toll „performt“, sondern auch schauspielerisch seine Sache großartig macht. Gleiches gilt für Leporello, überzeugend dargestellt und gesungen von Almas Svilpa. Ebenfalls sehr beeindruckend war für mich die Leistung der Donna Anna (Simona Šaturová) und der von Don Giovanni verlassenen Donna Elvira (Karin Stroboss). Ihre Arien-Auftritte haben mich regelrecht angerührt und sehr begeistert.

Insgesamt war die gesamte Oper sehr stimmig und überzeugend besetzt. Lob gebührt außerdem dem Orchester, dass sehr temporeich und mit viel Enthusiasmus durch die Oper geführt hat.

Sehr schade, dass es keine weitere Aufführung gibt, auf die ich Euch hinweisen kann. Aber vielleicht nimmt das Theater Essen die Inszenierung in der nächsten Zeit noch einmal ins Programm. Es wäre sicher lohnend.

Sabine Haas

Sie gründete 1994 das result Markt- und Medienforschungsinstitut, 2007 folgte eine Webagentur, im Jahr 2011 der Geschäftsbereich Beratung. Als Kennerin der alten wie auch Neuen Medien gehört sie zu den gern gesehenen Speakerinnen bei Fachveranstaltungen & Kongressen rund um das Thema "Digitaler Wandel/Medienwandel".

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