Mein Abend im Varieté-Theater GOP in Bonn
Normalerweise bin ich ja eher in der Oper als im Varieté-Theater unterwegs. Entsprechend skeptisch war ich auch, als ich eine Einladung zur Pressepremiere ins GOP nach Bonn erhielt. Bislang hatte ich von diesem Haus noch nicht gehört. An diesem Abend wurde dort die Show »Karussell« vorgestellt.
Bei der Vorabinformation erzählte mir der künstlerische Direktor Werner Buss, dass dies die dritte Show des GOP Bonn sei. Das erklärte natürlich, warum ich das Theater noch nicht kannte: Es ist gerade einmal sechs Monate alt; das Programm wechselt alle zwei Monate. Entsprechend modern und attraktiv ist auch das Ambiente. Es gibt eine kleine Bar, das Theater ist mit Tischen besetzt, an denen jeweils vier bis sechs Personen Platz haben. Rote Samtvorhänge, schummrige Tischbeleuchtung. Insgesamt stimmig gemacht. Man fühlt sich in die Hoch-Zeit des Varietés versetzt.
Die Regisseurin der anstehenden Premiere, Sabine Rieck, schaffte es in ihrer kurzen Einführung, auf den Abend neugierig zu machen. Mit viel Begeisterung schwärmte sie von der aktuellen Show als einem »Patchwork-Stück« mit einer Reihe von Überraschungen, Spaß und auch einigen »Albernheiten«. Die Künstlerinnen und Künstler hätten sie »begeistert«, da sie »viel wagten« und neben der eigentlichen Artistik auch schauspielerisch eine Menge eingebracht hätten. Das Thema des Stücks sei eine ironische Auseinandersetzung mit dem Zirkus – unter einem »Augenzwinkern« und mit sehr viel Klamauk.
Die Vorstellung begann nach den beiden ersten Gängen eines insgesamt Drei-Gänge-Menüs, welches den Abend kulinarisch umrahmte. Das Personal war extrem freundlich, das Essen lecker – ich denke doch mal, nicht nur, weil die Presse an diesem Abend an den Tischen saß. Mit dem Start der eigentlichen Show zogen die Künstlerinnen und Künstler das Premierenpublikum sofort in ihren Bann. Die Rahmenidee war, dass das Ensemble von der Anwesenheit der Zuschauerinnen und Zuschauer »überrascht« wurde und sodann spontan mit irgendwelchen Aktionen auf der Bühne loslegen musste.
Von Beginn an hatte die bunte Truppe auf der Bühne die Sympathien des Publikums auf seiner Seite. Aber es war auch irritierend, das scheinbar völlig improvisierte und bunt gemischte Treiben der Künstlerinnen und Künstler einzuordnen. War es nun Slapstick oder schon ernst gemeinte Akrobatik? Dieser Bruch zwischen Selbstironie und Klamauk auf der einen und hochrangiger akrobatischer Leistung auf der anderen Seite zog sich durch den gesamten Abend. Das sorgte dafür, dass die Show niemals kitschig wirkte und dennoch faszinierend-verspielt anmutete. Für mich eine extrem gelungene Idee, die mich wirklich begeisterte.
Diese sehr eigene Dramaturgie und Herangehensweise hatte allerdings auch den Nachteil, dass das Publikum manchmal die schnellen Wechsel zwischen Klamauk und ernsthafter Akrobatik nicht ganz mitbekam und in der Folge die extrem anspruchsvollen Turneinlagen nicht so recht mit dem entsprechenden Applaus würdigte. Dies fiel vor allem bei der herausragenden Trapeznummer des Paares Guillaume Mesmin und Anouk Blais auf, die aus meiner Sicht im bunten Treiben der Rahmengeschichte etwas unterging.
Mein Fazit
Alles in allem war es ein Abend, der für Publikum und Künstlerensemble gleichermaßen voller Überraschungen steckte. Eine interessante Show, die einen Besuch meiner Meinung nach lohnt – vorausgesetzt, man ist für den eher albernen Humor offen und erwartet nicht pure Romantik und Körperästhetik. Letzteres blitzt zwar immer wieder auf, wird dann aber schnell durch den Slapstick der Rahmenerzählung gebrochen.
Sabine Haas
Sie gründete 1994 das result Markt- und Medienforschungsinstitut, 2007 folgte eine Webagentur, im Jahr 2011 der Geschäftsbereich Beratung. Als Kennerin der alten wie auch Neuen Medien gehört sie zu den gern gesehenen Speakerinnen bei Fachveranstaltungen & Kongressen rund um das Thema "Digitaler Wandel/Medienwandel".
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