Memory Loops – Eine Audioreise durch Münchens Straßen zu Zeiten des Nationalsozialismus
„Am 16. März 1933 kam Hitler nach München und wurde … frenetisch bejubelt. … Das war für mich eine Enttäuschung. Ich habe da immer eine blauäugige Vorstellung gehabt – naja – vom deutschen Arbeiter…“
Dieses Zitat ist ein Ausschnitt aus einer Tonspur auf der Internetplattform http://www.memoryloops.net/ . Das Angebot Memoryloop ist nicht neu, aber ich dachte, so etwas Einzigartiges und Wichtiges kann man ruhig noch einmal vorstellen, vor allem da es sicher nicht jedem bekannt ist, dass es diese Seite gibt.
Die Idee von Memory Loops ist einfach: München wollte ein „virtuelles Denkmal“ für die Opfer des Nationalsozialismus. Das Ziel war, die Erinnerung an die Hitler-Zeit auch im virtuellen Lebensraum aufrecht zu erhalten und die Vergangenheit im Netz ebenso lebendig zu halten wie im realen Leben. Das Ergebnis ist eindringlich und überzeugend: Eine von einer Künstlerin gestaltete Karte stellt das virtuelle München dar, in dem man sich − ganz wörtlich − auf den (Ton-)Spuren des Nationalsozialismus bewegen kann. Rund 300 deutsche Augenzeugenberichte finden sich auf der Seite, 175 englische kommen ergänzend dazu.
Ins Netz gestellt wurde Memory Loops schon vor sieben Jahren: 2008 gewann Michaela Melián mit ihrer Plattform einen Kunstwettbewerb der Landeshauptstadt mit dem Titel „Opfer des Nationalsozialsmus – Neue Formen des Erinnerns und Gedenkens“. Das Projekt wurde in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Rundfunk (Hörspiel und Medienkunst) verwirklicht und gewann eine Reihe von Preisen.
Was mich besonders fasziniert: Man hat sich für das Medium Audio entschieden. Außer der Karte gibt es keine Bilder auf der Seite. Man bewegt sich durch die Straßen der Stadt und hört an jedem Erinnerungspunkt die Geschichten von Menschen und ihren Erlebnissen. Jede Tonspur beschreibt ein anderes Schicksal und verbundene Geschichten werden auch virtuell miteinander verknüpft.
Ich persönlich halte das für eine sehr eindrückliche und wirkungsvolle Form der Darstellung. Es entstehen immer neue Collagen und Einblicke, je nachdem welchen virtuellen Weg durch die Stadt man wählt.
Es wäre spannend zu wissen, wie sich die Bekanntheit und Nutzung der Seite in den vergangenen Jahren entwickelt hat. Es steht zu befürchten, dass nicht wirklich viele Menschen die Seite im Internet entdecken und besuchen. Dennoch: Die Idee virtueller Denkmäler finde ich sehr gut. Die Netzlandschaft kann dadurch nur gewinnen und ein Angebot wie Memory Loops ist ein wohltuendes Gegengewicht zu dem vielen „Catcontent“, den man im Netz auffindet. Ich kann nur sagen: Mehr davon bitte!
Bild: Screenshot der Webseite http://www.memoryloops.net. „Memory Loops“ – 300 Tonspuren zu Orten des NS-Terrors in München 1933-1945 ist ein Projekt des Kulturreferates der Landeshauptstadt München / Freie Kunst im öffentlichen Raum in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Rundfunk / Hörspiel und Medienkunst. Design: Surface.de mit Michaela Melián.
Sabine Haas
Sie gründete 1994 das result Markt- und Medienforschungsinstitut, 2007 folgte eine Webagentur, im Jahr 2011 der Geschäftsbereich Beratung. Als Kennerin der alten wie auch Neuen Medien gehört sie zu den gern gesehenen Speakerinnen bei Fachveranstaltungen & Kongressen rund um das Thema "Digitaler Wandel/Medienwandel".
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