Rigoletto Oper Lyon: Feuerwerk an Emotionen und grandiose Sänger

Im Vorfeld der Aufführung hatten wir ein Interview mit dem Regisseur Axel Ranisch und waren daher bestens vorbereitet. Dabei hätte es dies nicht gebraucht: Die Premiere von Rigoletto ging direkt ins Herz, sowohl über die Bilder als auch über Musik und Gesang. Es war ein lustiger, trauriger, anrührender und besonderer Abend, den wir in Lyon erleben durften, und er bleibt sicherlich für längere Zeit unvergessen.

Multitalent Axel Ranisch führt Regie

Axel Ranisch hat seine Ausbildung als Filmemacher absolviert. An die Oper geriet er eher durch einen Zufall. Daher ist es nicht verwunderlich, dass seine Oper nicht ohne Leinwand auskommt. Verwunderlich ist eher, wie gut diese Mischung zwischen Film und Oper funktioniert und wie sehr das Bühnengeschehen durch die Ergänzung um Bewegtbild bereichert wird.

Nicht jedem gefällt es, wenn filmische Szenen das Bühnengeschehen überlagern oder ergänzen. Tatsächlich erntete Regisseur Axel Ranisch für seine „wilde Inszenierung“ einige Buh-Rufe – im Gegensatz zu dem musikalischen Ensemble, das sehr bejubelt wurde. Meiner Begleitung und mir gefiel dagegen Ranischs Ansatz extrem gut. Auch wenn es manchmal schwer war, dem Gewusel auf Bühne und Leinwand gleichzeitig zu folgen.

Die Handlung

Aber der Reihe nach: Mir – als Opern-Spätstarterin – war Rigoletto neu. Ich hatte diese wunderbare Oper bisher nicht gesehen und kannte auch die Musik nur in wenigen Ausschnitten. Die Handlung hier nun – wie immer – in Kurzform schnell erzählt:

Die Handlung ist wie immer schnell erzählt: Hofnarr Rigoletto hilft seinem Dienstherren, dem Frauenverführer und Herzog (Duca) von Mantua, bei seinen diversen Liebensabenteuern. Den gehörnten Ehemännern, abservierten Ehemaligen etc. gegenüber verhält er sich beleidigend und völlig mitleidlos. Als Rigoletto sogar so weit geht, eine verheiratete Frau entführen lassen zu wollen, um sie dem Duca zuzuführen, ist der Zorn der übrigen Männer im Umfeld des Herzogs geweckt. Sie wollen sich rächen, indem sie die vermeintliche Geliebte des Rigoletto entführen lassen. Es handelt sich jedoch um dessen vor dem Herzog und der Welt versteckte Tochter Gilda. Sie wird tatsächlich anstelle des eigentlichen Opfers entführt, verliebt sich in den Duca und wird von ihm entehrt. Rigoletto ist am Boden zerstört. Er plant, dass seine Tochter als Mann verkleidet die Stadt verlässt, während er den Herzog durch einen gedungenen Mörder töten lässt.

Doch auch des Mörders Schwester war die Geliebte des Herzogs und ist ihm zugewandt. Sie überredet ihren Bruder, einen anderen an seiner Stelle zu töten und als Leiche in einem Sack zu präsentieren. Der Bruder folgt ihrem Vorschlag und ersticht anstelle des Frauenhelden die erste Person, die ihm begegnet: die in Männerkleidung getarnte Tochter Gilda. Rigoletto schaut in den Leichensack und entdeckt dort sein geliebtes Kind, das in einem musikalisch fulminanten Finale in seinen Armen stirbt.

Gekonnt kunstvolle Inszenierung mit verzeihbarer Schwäche

Axel Ranisch hat dieser Geschichte einen Erzählrahmen hinzugefügt. Seine Inszenierung beginnt in den Plattenbauten von Berlin. Dort sitzt in einer Wohnung ein einsamer und sehr trauriger Rigoletto-Fan mit Namen Hugo. Er wird auf bühnenbreiter Leinwand gezeigt, wie er in einer tristen, engen Wohnung eine Rigoletto-Videokassette in den Rekorder steckt und seine Herzensoper startet. Während auf dem Fernsehen die Oper beginnt (tatsächlich wird über eine Kamera der Auftritt des Dirigenten gezeigt), greift Hugo zum Revolver, um Selbstmord zu begehen.

Danach wechselt die Szene auf die eigentliche Bühne, die ebenfalls ein Berlin der 80er-Jahre zeigt: Dunkle verkleinerte Hochhaus-Bauten, Punks und wilde Rocker füllen die Bühne. Der Graf gibt eine Party, und es wird wild getanzt und gefeiert. Die Geschichte nimmt ihren Lauf. Parallel erscheint in einem offenen Raum Hugo auf seinem Sofa. Er scheint in die Handlung geworfen zu sein und mäandert während der gesamten Aufführung über die Bühne. Wie ein Geist, der von den anderen zwar wahrgenommen, aber nicht eigentlich gesehen wird, versucht er, das Schlimmste zu verhindern, was ihm aber nicht gelingt.

Während Rigoletto seinem grauenvollen Schicksal entgegenläuft, wird über zwischenzeitlich herabgelassene Leinwände das Leben von Hugo erzählt. Beide haben eine ähnliche Geschichte: Sie sind alleinerziehend und versuchen mit allen Mitteln ihre Töchter zu beschützen, die sich der Enge ihrer Obhut entziehen. Bei Rigoletto endet dies mit dem Tod der Tochter, bei Hugo mit dem eigenen Selbstmord.

Eine tolle szenische Idee, da durch diese Rahmenhandlung auch Rigoletto vielschichtiger und „tiefer“ erscheint und die Motive seiner Handlungen klarer werden. Alle Figuren in Verdis Oper wirken emotionaler, indem sie um diese filmische Parallelgeschichte ergänzt werden.

Allerdings haben für uns einige der Filmszenen das Geschehen auf der Bühne fast zu stark überlagert. Vor allem die Episode, in der erzählt wird, wie Hugo seine Frau bei der Geburt der Tochter verlor, wird auf so großer Leinwand gezeigt, dass das wunderschöne und anrührende Duo von Rigoletto und Gilda auf der Bühne in den Schatten gerät. Insgesamt hat uns aber die Idee dieses „Medienmixes“ sehr gut gefallen.

Starke Stimmen und ein herausragendes Orchester

Abgesehen von der Inszenierung haben aber auch Sänger*innen und Orchester ungeheuer begeistert. Selten habe ich so gut besetzte und stimmgewaltige Hauptdarstellerinnen und -darsteller erlebt. Verdis Musik ist grandios, das Orchester trug dem Rechnung. Der Chor war einfach großartig und die Hauptstimmen trafen direkt ins Herz.

Besonders nahe ging mir Gilda, gespielt von Nina Minasyan. Sie hat einen glockenklaren Sopran, ihre Ausstrahlung ist unglaublich und man konnte sich der Emotion, die sie ausstrahlte, nicht entziehen. Nicht weniger eindrucksvoll aber auch Rigoletto (Dalibor Jenis). Ein gewaltiger Kerl mit gewaltiger Stimme. Toll! Und in gleicher Qualität die dritte Figur: der Graf von Monterone, gesungen und gespielt von Roman Chabaranok. Er überzeugte als den Frauen verfallener Gigolo, der sich bei all seinen Seitensprüngen ganz und gar unschuldig fühlt, da er „nicht anders kann“. Auch er ideal besetzt und mit einer wunderbaren Stimme.

Allen Darstellern und der Inszenierung gelang es, sowohl Witz und Humor als auch Tragik und Gefühl in diese zwei Stunden zu packen. Die Zeit verging im Flug und man fühlte sich wie auf einer emotionalen Achterbahn. Der donnernde Applaus am Ende war durchaus begründet: Es war ein besonderer Abend!

Es lohnt, dafür eine Reise in die wunderbare Stadt Lyon zu machen! Die Aufführung kann noch bis zum 7. April besucht werden.

Sabine Haas

Sie gründete 1994 das result Markt- und Medienforschungsinstitut, 2007 folgte eine Webagentur, im Jahr 2011 der Geschäftsbereich Beratung. Als Kennerin der alten wie auch Neuen Medien gehört sie zu den gern gesehenen Speakerinnen bei Fachveranstaltungen & Kongressen rund um das Thema "Digitaler Wandel/Medienwandel".

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