„Stolpersteine NRW“: Geschichte lokal und digital

Screenshot der Webseite Stolpersteine NRW

In Erinnerung an die Opfer der NS-Zeit sind bis dato fast 100.000 Stolpersteine in Europa verlegt worden. Allein in Nordrhein-Westfalen sind es aktuell 15.909 (Stand 26.10.2022) – und jeder einzelne davon erinnert an das Schicksal eines Menschen, welcher von den Nationalsozialisten ermordet wurde.

Die ersten in Deutschland eingelassenen Stolpersteine verdanken wir dem Künstler Gunter Demnig, welcher sein Projekt in den 1990er Jahren – zuerst mit kleineren Aktionen – in Köln gestartet hat. Gunters Anliegen war es, mit jedem der Stolpersteine einem Menschen zu gedenken und diesem an seinem letzten frei gewählten Wohnort Namen und Erinnerung zurückzugeben. Auf seiner Webseite hat der Künstler die Vorgehensweise und Hintergründe erklärt.

 

WDR: „Ein Projekt gegen das Vergessen“

Dass bei den mittlerweile fast 16.000 Stolpersteinen allein in NRW der Überblick etwas verloren gehen kann, ist nicht verwunderlich. Umso besser, dass mit der App „Stolpersteine NRW“ das einst von Gunter Demnig initiierte Projekt im Jahr 2022 durch den WDR überschaubar ins Digitale übertragen wurde. Sowohl auf einer dazugehörigen Webseite als auch in der App können sich User*innen innovativ und interaktiv über das Thema Nationalsozialismus informieren.

In einer interaktiven Kartenfunktion ist jede einzelne der kleinen Gedenktafeln aus Messing hinterlegt, wodurch die Nutzer*innen leicht zu einem beliebigen Standort in NRW navigieren und digital die vielen Stolpersteine in den Städten und Gemeinden erkunden können.

 

Geschichte von zuhause aus entdecken

So ist durch die Digitalisierung des WDR die Möglichkeit geschaffen worden, die Geschichte der Stolpersteine ortsunabhängig nachzuempfinden. Zudem wurde hierdurch aber auch ein zusätzlicher (digitaler) Baustein der Erinnerung geschaffen, welcher auch in Zukunft die vielen Schicksale der NS-Zeit nicht in Vergessenheit geraten lässt. Für ein virtuelles Eintauchen in die Geschichte der Stolpersteine sorgen zudem biografische Texte, Illustrationen und auch historische Fotos. So können sich Interessierte auch von zuhause aus auf eine – wenn auch thematisch bedrückende – Reise in die Vergangenheit machen.

 

„Stolpersteine NRW“ App bringt Vergangenheit ins Hier und Jetzt

Nach dem Runterladen der App gelange ich direkt zu der interaktiven Kartenfunktion, in welcher mir eine (etwas erschreckende) Vielzahl an Stolpersteinen in meiner Umgebung angezeigt wird. So liegt es auf der Hand, das Digitale mit der Vor-Ort-Erkundung zu verbinden, wozu die App sogar eine Routen-Funktion anbietet.

Screenshot der App Ansicht Stolpersteine NRW

Screenshot der interaktiven Kartenfunktion in der App „Stolpersteine NRW“.

 

Gesagt, getan. Spontan ziehe ich los und erkunde einige Stolpersteine in meinem Veedel Köln-Ehrenfeld. Im wahrsten Sinne des Wortes „stolpere“ ich dabei etwas. Denn die Erkundung dieser kleinen Steine und Zeitzeugen der Geschichte ist wirklich bewegend. Zum einen durch die einzelnen Schicksale, welche sich hinter jeder der Messingtafeln verbergen. Zum anderen bin ich aber auch erstaunt, wie häufig ich schon an diesen Orten vorbeigelaufen bin – ohne die Gedenktafeln zu registrieren. Tatsächlich wird die Positionierung der Stolpersteine auf den Gehwegen kontrovers diskutiert, da das häufige „Darüberlaufen“ als unschön angesehen wird. Für mich stellt sich jedoch die Frage, ob eine Anbringung z.B. an den Hauswänden mehr Beachtung finden würde.

In der Leostraße entdecke ich die Stolpersteine von Gertrud und Alexander Buscher. Wie bei allen Stolpersteinen ist ihr Geburtsjahr und das Jahr ihrer Deportation zu lesen. Über den Zeitpunkt ihres Todes scheint nichts bekannt zu sein. Dennoch wird deutlich, dass das Ehepaar 1942 aus Ehrenfeld nach Minsk gebracht und ermordet wurde.

 

Stolpersteine in der Leostraße, Köln Ehrenfeld

 

Auch wenn die Hintergründe sehr erschütternd sein können, finde ich die digitale Umsetzung der Stolpersteine App und die damit verbundene Möglichkeit – sei es NRW-weit oder lokal, digital oder vor Ort – die Geschichte der Stolpersteine zu entdecken, ziemlich gut gemacht und wichtig. Durch das digitale Format sind sowohl das Thema als auch die Orientierung leicht verständlich und für alle zugänglich.

Neben der großen Bedeutung der Überbringung von Geschichte – auch für die nächsten Generationen – wird den Nutzer*innen zudem nahegelegt, einige Ecken der Veedel mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten und auch im Alltag ein bisschen genauer hinzuschauen.

Sonja Kluft

Die Online-Redakteurin und Geografin mit den Schwerpunkten Stadt, Gesellschaft und Kultur liebt es, Stadtgeschichten und Kulturorte zu erkunden. Im Kultur-Blog verknüpft sie beides, gerne auch mit der digitalen Komponente.

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