Musical „Sunset Boulevard“: Die Traumfabrik von Hollywood

Von |2023-02-07T10:20:45+01:0031.01.2023|Oper|

Heidelberg bringt Webbers Musical „Sunset Boulevard“ auf die Bühne

Das Musical „Sunset Boulevard“ von Andrew Lloyd Webber war mir bisher – ehrlich gesagt – entgangen. Es basiert auf dem Film von Billy Wilder und behandelt das „Haifischbecken“ Hollywood mit seiner oft gnadenlosen Filmindustrie. Das 1993 uraufgeführte Webber-Musical unterscheidet sich wohltuend von den bekannten „Blockbustern“ aus seiner Feder. „Sunset Boulevard“ setzt weniger auf Show und Effekte, sondern stellt die Handlung und die Beziehungen der Figuren stärker in den Vordergrund. In Heidelberg erleben wir eine gelungene Inszenierung des Musicals mit toller Musik und einer beeindruckenden Besetzung.

 

Eine Geschichte von Aufstieg und Fall in Hollywood

Erzählt wird die Geschichte des alternden Filmstars Norma Desmond und des jungen Drehbuchautors Joe Gillis. Gleich in der ersten Szene wird Joe Gillis tot in einem Swimming Pool aufgefunden. Durch eine Rückblende erfährt man, wie es zu diesem dramatischen Ende kam.

Der junge Gillis bemüht sich bislang erfolglos darum, mit seinen Drehbuch-Ideen bei einem der großen Filmstudios angenommen zu werden. Er ist pleite und wird von Geldeintreibern verfolgt. Als diese sein Auto pfänden wollen, flüchtet er mit Hilfe der jungen Studio-Assistentin Betty Schaefer.

Eine Reifenpanne zwingt den jungen Drehbuchautor, eine alte Villa auf dem Sunset Boulevard anzusteuern. Dort trifft er auf die ehemals sehr berühmte Filmdiva Norma Desmond, die während der Stummfilmzeit auf dem Höhepunkt ihrer Karriere war. Die Einführung des Tonfilms hat ihrer Karriere ein jähes Ende bereitet. Seitdem lebt sie allein mit ihrem Butler Max auf dem immer mehr verfallenden Anwesen und träumt von einem Comeback.

 

Schauspieler des Musicals Sunset Boulevard im Theater Heidelberg.

Foto: Theater Heidelberg

 

Die Verführung von Reichtum und Glamour

Gillis lässt sich von Norma überreden, bei ihr einzuziehen und ein von ihr geschriebenes Drehbuch zu überarbeiten, das sie für ihre Rückkehr auf die Leinwand nutzen möchte. Das Drehbuch ist schlecht, aber Gillis übernimmt das Projekt, da Norma Desmond ihm viel Geld und ein luxuriöses Leben in ihrer Villa bietet. Parallel entspinnt sich eine Beziehung zu der jungen Betty Schaefer, die an das Talent des Autors glaubt und mit ihm gemeinsam ein Drehbuch erarbeiten möchte.

Als Norma Desmond ihr Projekt beendet und ihr Werk in Hollywood abgibt, ist für Gillis der Zeitpunkt gekommen, um zu gehen. Doch Norma bedrängt ihn zu bleiben und er lässt sich von ihr mit Geschenken und Geld dazu überreden, weiter in der Villa zu wohnen. Gleichzeitig verliebt sich der junge Autor mehr und mehr in Betty, mit der er sich heimlich trifft, um gemeinsam zu arbeiten. Irgendwann erfährt Norma von der Beziehung und erschießt Gillis in rasender Eifersucht.

 

Buntes Bühnenbild mit den Schauspielern des Musicals Sunset Boulevard im Theater Heidelberg.

Foto: Theater Heidelberg

 

Farbenfroh und lebendig

Regisseur Felix Seiler bringt „Sunset Boulevard“ in Heidelberg farbenfroh und lebendig auf die Bühne. Die Kostüme aus den 50er Jahren, eingeblendete Videoeffekte und eine sehr einfache, aber wirkungsvolle Bühnengestaltung ziehen das Publikum von Beginn an ins Geschehen. Auch die Musik von Andrew Lloyd Webber sorgt für eine starke Dynamik.

Das Hollywood der 50er, in dem die Geschichte spielt, wechselt musikalisch mit der Zeit des Stummfilms. Besonders deutlich werden diese musikalischen Zeitsprünge bei einer Szene, die den Silvester-Abend zeigt: Gillis bleibt zunächst bei Norma in deren Villa und tanzt mit ihr zur Musik der 30er Jahre. Doch irgendwann hält er es nicht mehr aus und besucht die Silvesterparty seines Freundes, die mit den Hits der 50er und vielen bunten Gästen aufwartet.

 

Tolle weibliche Hauptrolle

Besonders beeindruckend ist an diesem Abend für mich die Besetzung der weiblichen Hauptrolle: Ks. Carolyn Frank spielt den alternden Star Norma Desmond mit großem Einsatz und sehr überzeugend. Sie ist gesanglich und schauspielerisch eine tolle Besetzung und es wird deutlich, dass sie im Publikum viele Fans hat. In der Pause erfahren wir, warum: Zufällig sammeln sich an unserem Stehtisch die gesamte Familie und die Freunde der Hauptdarstellerin. Sie erzählen, das Frank viele Jahre fester Bestandteil des Heidelberger Opern-Ensembles war und schon einige Zeit in Rente ist. Die Rolle der Norma Desmond habe sie wieder auf die Bühne gelockt. Tatsächlich scheint ihre die Rolle auf den Leib geschneidert. Dies erleben wohl auch die Kinder der Sängerin so, denn der Sohn sagte wohl nach der Generalprobe: „Die Mutter ist der Hammer.“ Recht hat er!

 

Großer Schatten einer Frau im Musical Sunset Boulevard im Theater Heidelberg.

Foto: Theater Heidelberg

 

Gelungener Premierenabend

Auch die übrige Besetzung kann sich sehen und hören lassen: Daniel Eckert gibt einen überzeugend moralisch zweifelhaften Joe Gillis, der sich vom Geld verführen lässt und vor einer geheuchelten Liebesbeziehung mit Norma Desmond nicht zurückschreckt. Dirk Weiler gelingt als Diener Max, einen ruhenden Pol zwischen den hoch emotionalen Hauptprotagonisten zu bilden. Er bringt die starke Liebe und Verehrung, die Max der alternden Diva gegenüber empfindet mit viel Einfühlsamkeit auf die Bühne. Charlotte Katzer wiederum als Betty Schaefer trifft sehr gut die Rolle einer natürlichen, bodenständigen jungen Frau, die sich vom Glamour und der Oberflächlichkeit in Hollywood nicht anstecken lässt.

Insgesamt ist die Besetzung sehr gelungen, ebenso die musikalische Leistung des Orchesters unter Dietger Holm. Eine erfolgreiche Premiere, auch nach Meinung des lang anhaltend applaudierenden Premiere-Publikums. Wir haben uns jedenfalls in der – im wahrsten Sinne des Wortes – familiären Atmosphäre des Heidelberger Theaters sehr wohl gefühlt und werden sicher noch einmal wiederkommen..

Wer „Sunset Boulevard“ gerne in Heidelberg sehen möchte, kann mit Glück noch ein paar Restkarten für die weiteren Aufführungen bis Ende April auf der Webseite des Theaters ergattern.

 

Street Scene – Kurt Weills Oper von 1947 überzeugt durch ein Kaleidoskop an Bildern und Melodien

Von |2022-05-11T14:26:57+02:0010.05.2019|Oper|

In Köln läuft derzeit eine Oper von Kurt Weill aus den späten 40er-Jahren mit dem Titel »Street Scene«. Man konnte bereits lesen, dass die Oper gut inszeniert sei, daher war ich neugierig geworden und habe der Vorstellung einen Besuch abgestattet.

»Street Scene« erzählt die Geschichte eines Mietshauses in einer armen Gegend von New York mitten in einem unerträglich heißen Sommer. Zu Beginn erhält man einen Eindruck von den einzelnen Bewohnerinnen und Bewohnern des Hauses und ihren Geschichten. Es wird klar, dass das Haus von Einwanderern aus aller Herren Länder bewohnt wird, die jeweils mit dem Alltag und dem Überleben in der großen Stadt zu kämpfen haben.

Im Laufe des ersten Aktes fokussiert die Handlung dann mehr und mehr auf die Familie Maurrant: Mutter Anne Maurrant beginnt eine Affäre mit dem Milchmann, da sie von ihrem Leben und der abweisenden Art ihres Mannes enttäuscht ist. Tochter Rose verliebt sich in den Nachbarsjungen Sam Kaplan, der als angehender Akademiker aber eigentlich nicht zu ihr passt. Sie ist sich unsicher, ob sie ihrem Herzen folgen oder eher auf die Avancen ihres Chefs eingehen soll. Dieser ist zwar verheiratet, lockt Rose aber mit dem Versprechen, sie auf die Bühnen des Broadways zu bringen.

Die Geschichte endet tragisch. In Akt 2 kommt Vater Frank Maurrant hinter die Affäre seiner Frau und erschießt sowohl den Liebhaber als auch seine Gattin. Die Tochter findet die Mutter im Sterben liegend vor und muss zusehen, wie ihr Vater in Handschellen abgeführt wird. Ihn erwartet der elektrische Stuhl. Sie verlässt daraufhin das Mietshaus und lässt auch ihren Geliebten Sam zurück, weil sie Angst davor hat, sich mit ihm zu binden.

Für die Hausgemeinschaft legt sich die Aufregung schnell: Neue Mieter ziehen ein. Der Alltag hält wieder Einzug.

Storytelling vom Feinsten

Das Besondere dieser Oper ist für mich die Art, in der die Geschichte erzählt wird. Wie mit einem Kaleidoskop werden die verschiedenen Charaktere und Storys der Mietergemeinschaft beleuchtet. Die Perspektiven wechseln dabei zwischen den einzelnen Parteien, die mit ihren Sorgen und Nöten immer neue Aspekte des Lebens in New York skizzieren. Die Geschichte springt vor allem zu Beginn hin und her und fokussiert erst im Laufe der Handlung auf einen durchgehenden Erzählstrang.

Vielfalt in Musik und Szenenumsetzung

Genauso so ist es mit der Musik: Sie ist bunt, abwechslungsreich und erinnert teilweise an Musical- und Broadway-Hits, teilweise an die klassischen Arien aus der Opernwelt. An vielen Stellen setzt die Musik sogar ganz aus und macht Theaterszenen Platz. Um dies in dem großen Ensemble adäquat abzubilden, bedarf es einer sehr breiten Besetzung. So waren in Köln sowohl Schauspieler als auch Chorsänger, Tänzer, Musical-Stimmen und Opernsänger vertreten – und natürlich das sehr gute Gürzenich-Orchester.

Ein Genrewechsel, der an das Gefühl von Knisterbrause erinnert

Teilweise wirkte der Wechsel zwischen Opern- und Musicalatmosphäre für mich sehr verwirrend und sorgte für regelrechte Brüche in meinem Erleben: Tanzeinlagen wechseln auf Arien, launige Broadway-Songs auf getragene Orchestermusik. Gerade zu Beginn hatte ich dadurch Schwierigkeiten, mich in die Oper hineinzufinden. Aber die Vielschichtigkeit sowohl der Handlung als auch der Musik hatte mich schon bald komplett in ihren Bann gezogen.

Bis hin zu den jüngsten Darstellern eine insgesamt überzeugende Besetzung

Vor allem begeistert hat mich neben dem Orchester die schauspielerische Leistung der Kinderdarsteller, allen voran der kleine Joseph Sonne als Willie Maurrant. Er spielte seine Rolle des frechen Großstadtjungen einfach wunderbar! Ebenfalls wunderbar waren Allison Oakes als Anna Maurrant, Emily Hindrichs in der Rolle der Tochter und Jack Swanson als Sam Kaplan. Auch die vielen kleineren Rollen und der Chor waren überzeugend besetzt und zeigten mit viel Spielfreude und Einsatz ihr Können. Einzig Kyle Albertson als Frank Maurrant kam mir stimmlich etwas schwach vor, aber ich bin zu wenig Expertin, um hier fundiert zu urteilen.

Unterhaltsam und zugleich anregend

Insgesamt kann man sagen, dass die Oper »Street Scene« eine unglaubliche Fülle von Eindrücken hinterlässt. Dies bewirken nicht nur die vielen Akteure und ihre unterschiedlichen Darstellungsstile oder die abwechslungsreiche Musik. Auch die Texte sind voller sozialkritischer Anspielungen und ziehen einen breiten Bogen von der Jugendkultur über die linkspolitischen Ansichten der Intellektuellen bis hin zum ungerechten Machtverhältnis zwischen Mann und Frau in den unteren sozialen Schichten der damaligen Zeit. Man nimmt eine Menge mit, wenn man nach gut drei Stunden die Oper verlässt – im Kopf genauso wie im Herzen.

Hinweis!

Wer die Oper besuchen möchte, sollte sich beeilen. Heute Abend (10.05.2019) läuft die nächste Vorstellung. Am 12. und 16. Mai 2019 sind die beiden letzten Termine.

Nach oben