Virtuelle Ausstellungen – warum sie meist nicht wirklich erfreuen

Ein Schwerpunktthema unseres Blogs ist digitale Kultur. Dazu gehören auch digitale Ausstellungen. In den vergangenen Monaten hat sich das Angebot digitaler Ausstellungen drastisch erweitert. Ich habe den Eindruck, fast jedes Museum denkt inzwischen über digitale Angebote nach. Doch wie ist der Erfolg?
Für die Mehrheit lebt Kultur vom „Live-Charakter“
In einer jüngst durchgeführten Kultur-Studie* unserer Agentur wurde deutlich: Kultur lebt von ihrem „Live-Charakter“. Für die große Mehrheit der Befragten rangiert medial vermittelte Kultur im Interesse weit abgeschlagen auf den hinteren Plätzen. Vor allem die Personen, die als eher sporadische Kulturnutzerschaft bezeichnet werden können, besuchen kulturelle Veranstaltungen als Teil ihrer aktiven Freizeitgestaltung, nicht als Teil ihrer Mediennutzung.
Virtuelle Ausstellungen haben es besonders schwer. Sie gehören bislang zu den Angeboten, die kaum gekannt und genutzt werden. Zumindest weist unsere Studie darauf hin. Auch die fehlenden Statistiken zur Nutzung von Online-Ausstellungen im Netz sind sehr auffällig und lassen keinen positiven Trend vermuten.
Breites Angebot an Online-Ausstellungen
Dabei ist das Angebot virtueller Ausstellungen inzwischen verlockend und vielfältig. Auch die Auffindbarkeit ist relativ einfach. Es gibt diverse Übersichtsseiten, die bei der Suche nach entsprechenden Online-Angeboten helfen und Tipps geben: Sowohl öffentliche Einrichtungen als auch Kulturbloggende, Zeitschriften oder Agenturen veröffentlichen solche Hinweise auf virtuelle Ausstellungen oder Museen.
- Online-Magazin musermeku
- Übersicht zu virtuellen Ausstellungen vom Bundesarchiv
- Übersicht zu virtuellen Ausstellungen der Deutschen National Bibliothek
- Auswahl des Magazins Harper’s BAZAAR
- Projekte der Agentur Goldener Westen
Die technische Umsetzungsqualität der Ausstellungen ist dabei sehr unterschiedlich: Von einer reinen Text-Bild-Information bis zu einem digitalen Museum mit 360-Grad-View ist alles dabei.
Screenshot der virtuellen Ausstellung „Leben im Exil“ – Digitale Kunsthalle des ZDF Kultur
Hochwertige Technik ist kein Garant für Erfolg
Die Hochwertigkeit der Umsetzung ist allerdings kein Indiz für die Nutzungsattraktivität. Viele technisch hochwertig gestalteten Ausstellungen, die ich besucht habe, waren für mich kein Genuss. Oft fällt die Orientierung in den virtuellen Räumen schwer, die Perspektive auf das Kunstwerk ist nicht immer die Beste und es dauert, bis man die Nutzerführung nachvollziehen kann.
Ein Beispiel für eine solch wenig attraktive virtuelle Tour ist für mich „The Frick Collection“
Andererseits sind ellenlange Texte in kleiner Schrift, die mit zwei oder drei nicht ordentlich erkennbaren Fotos verknüpft sind, auch kein Erlebnis. Mir persönlich fehlt die Geduld, solche umfassenden Informationen am Bildschirm aufzunehmen und ich verbinde diese Art von Online-Ausstellungen auch nicht mit einem kulturellen Erlebnis.
Ein Beispiel für zu viel Text und zu wenig Orientierung ist aus meiner Sicht die digitale Ausstellung „100 Jahre Erster Weltkrieg“ der Deutschen Nationalbibliothek.
Doch es gibt auch sehr gelungene Online-Ausstellungen, denen eine gute Balance von Bedienbarkeit, leichter Informationsaufbereitung und Spaß gelungen ist. Die digitale Kunsthalle des ZDF hat hier beispielsweise oft Gutes zu bieten.
Bemüht und unsortiert
Unterm Strich wirken die Aktivitäten im Bereich der Online-Ausstellungen auf mich überwiegend sehr bemüht, aber dennoch unsortiert. Ich erkenne keine Unterscheidung nach Zielgruppen und kein abgestimmtes Konzept. Vielmehr wirkt es auf mich, als würde das, was da ist, irgendwie ins Netz gestellt. Mal mit mehr, mal mit weniger Budget.
So ist es aus meiner Sicht ein gravierender Unterschied, ob ich eine Kunstausstellung digitalisiere oder eine historische Themenausstellung plane. Auch technische oder städtische Museen sind anders ausgerichtet, was die Publika und die Art der Vermittlung betrifft. Wünschenswert wäre also ein stringentes Nutzungserlebnis, konzipiert aus der Perspektive der Besuchenden. Was möchte z.B. das Online-Publikum, dass sich für eine virtuelle Ausstellung „100 Jahre Erster Weltkrieg“ interessiert?
Mit Sicherheit sind es online andere Motive, die zur Nutzung verleiten, als bei einer analogen Ausstellung. Sehr häufig geraten die Besuchenden auch nur zufällig auf ein virtuelles Angebot. In diesem Fall ist es wichtig, das Publikum auf den ersten Blick zu begeistern und nicht erst vier Klicks weiter zu schicken.
Ich weiß, die Budgets in der Kultur sind knapp und für aufwändige Nutzer*innen-Studien fehlt mit Sicherheit das Geld. Betrachtet man es aber – wie ich als Kundin – von außen, dann fragt man sich schon, warum es nicht möglich ist, dass diese vielen Anbieter von virtuellen Angeboten sich zusammenschließen und gemeinsam erst einmal die Bedürfnisse und Erwartungen ihrer Publika erkunden. Digitalisierung um jeden Preis ist aus meiner Sicht kein Weg, der erfolgreich sein kann.
*Da die Studie für einen Kunden durchgeführt wurde, kann ich leider nicht auf genaue Inhalte und Quellen verweisen. Ich hoffe, Ihr schenkt mir trotzdem Glauben… 😊
Sabine Haas
Sie gründete 1994 das result Markt- und Medienforschungsinstitut, 2007 folgte eine Webagentur, im Jahr 2011 der Geschäftsbereich Beratung. Als Kennerin der alten wie auch Neuen Medien gehört sie zu den gern gesehenen Speakerinnen bei Fachveranstaltungen & Kongressen rund um das Thema "Digitaler Wandel/Medienwandel".
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