„Dreigroschenoper“ in Immling: Der Rahmen wunderschön, die Aufführung nicht ganz überzeugend

Von |2025-02-14T18:07:56+01:0016.07.2024|Oper|

Die Sommer-Opernfestspiele auf Gut Immling bei Bad Endorf im Chiemgau sind weit mehr als reine Opernaufführungen, sie sind ein ganz besonderes kulturelles Erlebnis mit einzigartiger Atmosphäre. Das haben wir auch bei dem diesjährigen Besuch wieder erleben dürfen.

Obwohl uns die Aufführung selbst – es war die „Dreigroschenoper“ von Bertold Brecht und Kurt Weill – nicht vollends überzeugt hat, haben wir einen wunderbaren Abend auf dem Festival-Gelände verbracht, der uns sicher in guter Erinnerung bleiben wird. 

Von Beginn an eine Reise in eine besondere Welt 

Schon die Anreise zu Gut Immling ist jedes Mal ein kleines Abenteuer. Mit dem Shuttle-Bus geht es über einen schmalen geteerten Feldweg am Wald vorbei zum Gnadenhof „Gut Immling“. An Ziegen, Hängebauchschweinen und Ponys vorbei betritt man das Festivalgelände. Es ist wunderschön angelegt mit Wildblumen, einem großen Innenhof und einem weiten Blick in den Chiemgau. Die ehemalige Reithalle – umgebaut zur Festspielhalle – bildet das Zentrum des Geländes. Auf einer Wiese gegenüber steht ein großes rundes Zirkuszelt, das nach der Vorstellung als Buffet-Zelt fungiert. 

 

Wir kommen bei Sonnenschein und warmen Temperaturen an und starten unseren Abend mit einem Glas Weißwein und einem Spaziergang durch die Anlage. Am Horizont türmen sich allerdings – wie in diesem Sommer so oft – dunkle Regenwolken, die nichts Gutes verheißen. Tatsächlich geht nur eine halbe Stunde später ein Platzregen auf uns nieder. Aber auch das ist eher unterhaltsam als ärgerlich, denn es finden sich genug Vordächer, Sonnenschirme oder Überdachungen, unter denen alle Gäste schnell Zuflucht finden. 

 

Diesmal keine Oper, sondern Theater 

Pünktlich mit dem Ende des Platzregens beginnt die Opern-Vorstellung und wir begeben uns in die Festival-Halle. Die Oper Immling überzeugt in der Regel durch einfache, aber wirkungsvolle Inszenierungen und eine solide Besetzung. Wir sind gespannt, in welcher Form „Die Dreigroschenoper“ auf die Bühne gebracht wird.  

Obwohl der Begriff Oper im Namen steht, ist die „Dreigroschenoper“ etwas grundlegend anderes: Sie wurde von Bertold Brecht und Kurt Weill als ein Theaterstück mit Musik konzipiert, und aus meiner Sicht unterscheidet sich die Dreigroschenoper tatsächlich grundlegend von einem Musical, einer Operette oder gar einer Oper. Die Musik von Kurt Weill ist nicht „durchkomponiert“, vielmehr handelt es ich um 22 Gesangsnummern, die jeweils für sich stehen. Sie verstärken das Stück und seine Wirkung und stellen einen wesentlichen Bestandteil dar, dennoch bleibt die „Dreigroschenoper“ in erster Linie Theater. 

Erzählt wird die Geschichte von „Mackie Messer“, der als Gangsterboss die Unterwelt im London des Jahres 1837 beherrscht. Er kommt Bettlerkönig Mr. Peachum in die Quere, als er dessen Tochter entführt und heimlich heiratet. Allerdings ist die Handlung eher eine Nebensache, im Fokus des in den 1930er-Jahren entstandenen Werkes steht eine kapitalismus- und moralkritische Betrachtung der Gesellschaft. Mit Sätzen wie „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“ oder „Denn die einen sind im Dunkeln und die andern sind im Licht“ ist die „Dreigroschenoper“ in die Geschichte eingegangen, ihre Botschaften sind bis heute aktuell. Mit derber Sprache und wunderbarer Musik erzählen Bertold Brecht und Kurt Weill von der Boshaftigkeit der Menschen und Doppelbödigkeit jeder Moral. Es ist eine zutiefst kritische Analyse, die leider bis heute wenig an ihrer Aktualität eingebüßt hat. 

Als Oper inszeniert funktioniert die „Dreigroschenoper“ nicht

In Immling wird die „Dreigroschenoper“ wie eine Oper inszeniert. Es war sogar geplant, das Werk zu kürzen, was aber die Erbengemeinschaft Brachts nicht zugelassen hat. Für mich geht die Art der Inszenierung in Immling nicht auf. Die Idee ist es, alle Figuren mit Insektenflügeln zu versehen und so den Menschen als „Ungeziefer“ darzustellen, dem am Ende – so das Abschlussbild – mit Insektenvernichtungsmittel zu Leibe gerückt werden muss.  

Auch die Besetzung überzeugt mich nicht. Zwar stehen tolle Sängerinnen und Sänger auf der Bühne und das Orchester spielt großartig, aber die Wirkung bleibt dennoch für mich auf der Strecke. Dies liegt aus meiner Sicht daran, dass der schauspielerische Teil, der vor allem die erste Hälfte des Stückes dominiert, nicht überzeugt. Die Darsteller, sowohl die singenden als auch die reinen Sprechrollen, packen mich nicht und ziehen nicht die Geschichte, obwohl sie alle sehr sympathisch sind. 

Trotzdem sind die Sänger Hans Georg Priese als Mackie Messer und Uli Bauer als Mr. Peachum toll ausgewählt, auch die Sängerinnen, vor allem Ruth Müller als Mrs. Peachum ist wirklich großartig. 

Aber insgesamt war für mich der Opernabend dennoch eher enttäuschend, denn ich habe die Dreigroschenoper vor Jahren schon einmal gesehen und damals war ich – das weiß ich noch – sehr begeistert. Zwar ist die zweite Hälfte an diesem Abend etwas besser als die erste, Begeisterung stellt sich bei uns aber keine ein. 

Aber auch wenn das Stück diesmal nicht meine Erwartungen erfüllt: Immling steht für mich für solide Opern-Qualität. Nur diesmal funktionierte es für mich nicht so gut, weil die Dreigroschenoper eben nicht von der Musik, sondern vom Theater her inszeniert werden muss. 

Ausklang mit viel wunderbarer Musik und tollem Essen 

Wir lassen den Abend im Buffet-Zelt ausklingen, wo es neben leckerem Essen auch traditionsgemäß viele Zugaben und Gesangseinlagen der Mitwirkenden von Immling gibt. Dieser Teil des Abends versöhnt uns wieder mit dem nicht ganz zufriedenstellenden Bühnenerlebnis und wir fahren begeistert und erfüllt gegen Mitternacht mit dem Shuttle-Bus nach Hause. 

Zelt in Immling

Ich freue mich schon auf ein Wiedersehen, dann aber lieber wieder mit einer klassischen Oper… 😊 


Wer die „Dreigroschenoper“ dennoch besuchen möchte, hier die Termine:
https://www.immling.de/spielplan2024

Aber vielleicht besser „Aida“? Auch dafür gibt es noch Termine.

Herrenchiemsee: Der einsame König und seine Märchenwelt

Von |2022-05-11T14:32:43+02:0006.06.2018|Unterwegs|

Wenn ich nach meinen eindrucksvollsten Schlossbesichtigungen gefragt werde, dann denke ich als Erstes immer an die Prachtbauten des Märchenkönigs Ludwig II. Vor allem Herrenchiemsee hat es mir angetan – weil wir aufgrund familiärer Verbindungen beinahe jedes Jahr im Chiemgau sind. Wieder und wieder steht dann ein Besuch des Schlosses auf dem Programm.

Was aber begeistert die Menschen an diesem Schloss? Ist es nicht eigentlich in erster Linie kitschig? Ich glaube, wer Herrenchiemsee als »Kitsch« abtut, wird dem Ort in keiner Weise gerecht. Das Schloss und seine Anlagen sind ein Gesamtkunstwerk von großer Faszination. Es zeigt, mit welchem fanatischen Gestaltungswillen Ludwig II. nach der perfekten Inszenierung einer Traumwelt strebte und wie offensichtlich dieses Ziel zum Scheitern verurteilt war.

In Zeiten von Fernsehen, Internet und Kino ist der Gang in Traumwelten nicht schwierig. Die Möglichkeit, sich zeitweise »aus der Welt zu stehlen«, ist durch die Vielzahl der Unterhaltungsangebote jederzeit gegeben. König Ludwig II. musste einen anderen Weg gehen. Er ließ Märchenwelten wahr werden, indem er geradezu irreale Landschaften und Räume schuf. Durch Architektur, Bilder, Stoffe, Lichter, Musik usw. konstruierte er sich Orte, die nichts mit der Realität seiner Zeit zu tun hatten. Es waren Projekte von außerordentlicher Perfektion, leider ebenso außerordentlich teuer und am Ende nicht umsetzbar.

König Ludwig II. wollte sich in einer mythischen Welt bewegen, er wollte umgeben sein von seinen Idealwelten – und das am liebsten allein. Es war ihm verhasst, mit dem Personal in Kontakt zu kommen. Er konzipierte seine Schlösser so, dass ein Zusammentreffen mit Bediensteten vermieden werden konnte. Aus diesem Grund gibt es in Herrenchiemsee neben dem Schlafzimmer einen Ankleideraum, der für die Diener von hinten zugänglich war, ohne dass sie das Schlafzimmer betreten mussten. Noch ausgeklügelter war allerdings seine Idee des »Tischlein-Deck-Dich«: Im Speisezimmer war eine Bodenklappe eingelassen. Mittels Seilwinde konnte man den Tisch durch diese in die Küche hinablassen und dann gedeckt wieder herauffahren. Ein enormer technischer Aufwand mit dem Ziel, möglichst keine Diener sehen zu müssen.

Jeder Raum im Schloss lässt einen aus dem Staunen nicht mehr herauskommen. Die prunkvollen Vorhänge und Teppiche, die unglaublich kunstvoll gearbeiteten Möbel, der (natürlich auch völlig kitschige) großartige Leuchter über dem Esstisch aus Meissener Porzellan, das Spiegelkabinett usw. usw. Was einen nach all diesem Pomp geradezu überwältigt, ist der letzte Raum bei der Schlossbesichtigung: Das noch im Rohbau befindliche nördliche Treppenhaus, dass in seiner Schlichtheit eines ungeschmückten Ziegelbaus genauso viel Ausstrahlung besitzt, wie alles zuvor Gesehene.

Herrenchiemsee ist für mich schlicht jedes Mal aufs Neue beeindruckend: Die Akribie, mit der der Schlossgarten angelegt wurde, die kunsthandwerkliche Leistung der beteiligten Gewerke bei der Ausstattung der Räume, der völlig irrwitzige Prunk sind immer wieder einmalig. Aber auch die Schattenseite dieser traumhaften Welt überfällt mich erneut bei jedem Besuch: Überall ist die Tragik dieses Königs spürbar, der mehr und mehr aus der Welt fällt. Nie haben Besucher eines seiner Schlösser beehrt, nie wurde von ihm ein Fest gegeben und er selbst hat in Herrenchiemsee nur einige wenige Tage verbracht. Seine Traumwelten konnten ihn nicht glücklich machen, sie waren ein misslungener Fluchtversuch.

Der Mann, der sich und anderen »ein ewig Rätsel« bleiben wollte, ist durch seine Schlösser zum Mythos geworden und hat über seinen Tod hinaus bis heute eine Ausstrahlung, der man sich nur schwer entziehen kann.


Titelbild: Paradeschlafzimmer, Neues Schloss Herrenchiemsee © Bayerische Schlösserverwaltung, www.herrenchiemsee.de


Dieser Blogpost ist ein Beitrag zur Blogparade #SchlossGenuss.

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