âDreigroschenoperâ in Immling: Der Rahmen wunderschön, die AuffĂŒhrung nicht ganz ĂŒberzeugend
Die Sommer-Opernfestspiele auf Gut Immling bei Bad Endorf im Chiemgau sind weit mehr als reine OpernauffĂŒhrungen, sie sind ein ganz besonderes kulturelles Erlebnis mit einzigartiger AtmosphĂ€re. Das haben wir auch bei dem diesjĂ€hrigen Besuch wieder erleben dĂŒrfen.
Obwohl uns die AuffĂŒhrung selbst â es war die âDreigroschenoperâ von Bertold Brecht und Kurt Weill â nicht vollends ĂŒberzeugt hat, haben wir einen wunderbaren Abend auf dem Festival-GelĂ€nde verbracht, der uns sicher in guter Erinnerung bleiben wird.Â
Von Beginn an eine Reise in eine besondere WeltÂ
Schon die Anreise zu Gut Immling ist jedes Mal ein kleines Abenteuer. Mit dem Shuttle-Bus geht es ĂŒber einen schmalen geteerten Feldweg am Wald vorbei zum Gnadenhof âGut Immlingâ. An Ziegen, HĂ€ngebauchschweinen und Ponys vorbei betritt man das FestivalgelĂ€nde. Es ist wunderschön angelegt mit Wildblumen, einem groĂen Innenhof und einem weiten Blick in den Chiemgau. Die ehemalige Reithalle â umgebaut zur Festspielhalle â bildet das Zentrum des GelĂ€ndes. Auf einer Wiese gegenĂŒber steht ein groĂes rundes Zirkuszelt, das nach der Vorstellung als Buffet-Zelt fungiert.Â
Wir kommen bei Sonnenschein und warmen Temperaturen an und starten unseren Abend mit einem Glas WeiĂwein und einem Spaziergang durch die Anlage. Am Horizont tĂŒrmen sich allerdings â wie in diesem Sommer so oft â dunkle Regenwolken, die nichts Gutes verheiĂen. TatsĂ€chlich geht nur eine halbe Stunde spĂ€ter ein Platzregen auf uns nieder. Aber auch das ist eher unterhaltsam als Ă€rgerlich, denn es finden sich genug VordĂ€cher, Sonnenschirme oder Ăberdachungen, unter denen alle GĂ€ste schnell Zuflucht finden.Â
Diesmal keine Oper, sondern TheaterÂ
PĂŒnktlich mit dem Ende des Platzregens beginnt die Opern-Vorstellung und wir begeben uns in die Festival-Halle. Die Oper Immling ĂŒberzeugt in der Regel durch einfache, aber wirkungsvolle Inszenierungen und eine solide Besetzung. Wir sind gespannt, in welcher Form âDie Dreigroschenoperâ auf die BĂŒhne gebracht wird. Â
Obwohl der Begriff Oper im Namen steht, ist die âDreigroschenoperâ etwas grundlegend anderes: Sie wurde von Bertold Brecht und Kurt Weill als ein TheaterstĂŒck mit Musik konzipiert, und aus meiner Sicht unterscheidet sich die Dreigroschenoper tatsĂ€chlich grundlegend von einem Musical, einer Operette oder gar einer Oper. Die Musik von Kurt Weill ist nicht âdurchkomponiertâ, vielmehr handelt es ich um 22 Gesangsnummern, die jeweils fĂŒr sich stehen. Sie verstĂ€rken das StĂŒck und seine Wirkung und stellen einen wesentlichen Bestandteil dar, dennoch bleibt die âDreigroschenoperâ in erster Linie Theater.Â
ErzĂ€hlt wird die Geschichte von âMackie Messerâ, der als Gangsterboss die Unterwelt im London des Jahres 1837 beherrscht. Er kommt Bettlerkönig Mr. Peachum in die Quere, als er dessen Tochter entfĂŒhrt und heimlich heiratet. Allerdings ist die Handlung eher eine Nebensache, im Fokus des in den 1930er-Jahren entstandenen Werkes steht eine kapitalismus- und moralkritische Betrachtung der Gesellschaft. Mit SĂ€tzen wie âErst kommt das Fressen, dann kommt die Moralâ oder âDenn die einen sind im Dunkeln und die andern sind im Lichtâ ist die âDreigroschenoperâ in die Geschichte eingegangen, ihre Botschaften sind bis heute aktuell. Mit derber Sprache und wunderbarer Musik erzĂ€hlen Bertold Brecht und Kurt Weill von der Boshaftigkeit der Menschen und Doppelbödigkeit jeder Moral. Es ist eine zutiefst kritische Analyse, die leider bis heute wenig an ihrer AktualitĂ€t eingebĂŒĂt hat.Â
Als Oper inszeniert funktioniert die âDreigroschenoperâ nicht
In Immling wird die âDreigroschenoperâ wie eine Oper inszeniert. Es war sogar geplant, das Werk zu kĂŒrzen, was aber die Erbengemeinschaft Brachts nicht zugelassen hat. FĂŒr mich geht die Art der Inszenierung in Immling nicht auf. Die Idee ist es, alle Figuren mit InsektenflĂŒgeln zu versehen und so den Menschen als âUngezieferâ darzustellen, dem am Ende â so das Abschlussbild â mit Insektenvernichtungsmittel zu Leibe gerĂŒckt werden muss. Â
Auch die Besetzung ĂŒberzeugt mich nicht. Zwar stehen tolle SĂ€ngerinnen und SĂ€nger auf der BĂŒhne und das Orchester spielt groĂartig, aber die Wirkung bleibt dennoch fĂŒr mich auf der Strecke. Dies liegt aus meiner Sicht daran, dass der schauspielerische Teil, der vor allem die erste HĂ€lfte des StĂŒckes dominiert, nicht ĂŒberzeugt. Die Darsteller, sowohl die singenden als auch die reinen Sprechrollen, packen mich nicht und ziehen nicht die Geschichte, obwohl sie alle sehr sympathisch sind.Â
Trotzdem sind die SĂ€nger Hans Georg Priese als Mackie Messer und Uli Bauer als Mr. Peachum toll ausgewĂ€hlt, auch die SĂ€ngerinnen, vor allem Ruth MĂŒller als Mrs. Peachum ist wirklich groĂartig.Â
Aber insgesamt war fĂŒr mich der Opernabend dennoch eher enttĂ€uschend, denn ich habe die Dreigroschenoper vor Jahren schon einmal gesehen und damals war ich â das weiĂ ich noch â sehr begeistert. Zwar ist die zweite HĂ€lfte an diesem Abend etwas besser als die erste, Begeisterung stellt sich bei uns aber keine ein.Â
Aber auch wenn das StĂŒck diesmal nicht meine Erwartungen erfĂŒllt: Immling steht fĂŒr mich fĂŒr solide Opern-QualitĂ€t. Nur diesmal funktionierte es fĂŒr mich nicht so gut, weil die Dreigroschenoper eben nicht von der Musik, sondern vom Theater her inszeniert werden muss.Â
Ausklang mit viel wunderbarer Musik und tollem EssenÂ
Wir lassen den Abend im Buffet-Zelt ausklingen, wo es neben leckerem Essen auch traditionsgemÀà viele Zugaben und Gesangseinlagen der Mitwirkenden von Immling gibt. Dieser Teil des Abends versöhnt uns wieder mit dem nicht ganz zufriedenstellenden BĂŒhnenerlebnis und wir fahren begeistert und erfĂŒllt gegen Mitternacht mit dem Shuttle-Bus nach Hause.Â
Ich freue mich schon auf ein Wiedersehen, dann aber lieber wieder mit einer klassischen Oper… đÂ
Wer die âDreigroschenoperâ dennoch besuchen möchte, hier die Termine:
https://www.immling.de/spielplan2024
Aber vielleicht besser âAidaâ? Auch dafĂŒr gibt es noch Termine.