„Der Freischütz“ in gelungener Häschenschul-Inszenierung

Bildrechte: Theater Hagen, „Der Freischütz“

Am Freitagabend stand mal wieder ein Besuch im Hagener Theater an. Auf dem Programm: die Oper „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber. Es war wie beinahe jedes Mal, wenn ich dort bin: Das Schauspielhaus überzeugt mit einer kurzweiligen, ideenreichen, aber nicht zu „abgedrehten“ Inszenierung. Engagierte Musiker*innen und Sänger*innen sorgen für einen rundum gelungenen und unterhaltsamen Opernabend.

„Der Freischütz“: Viel Romantik und sehr „deutsch“

Die im Juni 1821 uraufgeführte romantische Oper hat eine fast schon rührselige, märchenhafte Handlung, die in einem romantisch-idealisierten Jagdmilieu spielt.

Die Geschichte dreht sich um den Jäger Max, der den Wunsch hegt, Agathe, die Tochter des Erbförsters, zu ehelichen. Durch diese Heirat würde er in die Rolle des künftigen Försters aufrücken.  Die Hochzeit wird jedoch nur möglich, wenn Max den sogenannten Probeschuss besteht – ein Brauch, den der Landesfürst eingeführt hat. Nur wer trifft, darf nächster Erbförster werden und die Tochter des bestehenden Amtsinhabers heiraten.

Max ist voller Sorge, ob ihm der Probeschuss gelingt. Am Vortag beim Schützenfest hat er das Ziel verfehlt. Er wird von seinem vermeintlichen Gefährten Kaspar, der ebenfalls um Agathes Gunst geworben hatte und abgewiesen wurde, dazu verleitet, sich mit „Freikugeln“ auszustatten. Diese sind mit schwarzer Magie gegossen. Von insgesamt sieben Kugeln treffen sechs das gewählte Ziel. Die siebente „gehört dem Teufel“ und wird von ihm gelenkt. Kaspar sucht nach Rache für seine Zurückweisung und so handelt er mit dem Teufel aus, dass die letzte Kugel Agathe treffen soll.

Begleitet von Agathes düsteren Ahnungen begibt sich Max zusammen mit dem Fürsten auf die Jagd. Dort verschießt er drei der Freikugeln, drei weitere hat Kaspar behalten und ebenfalls verschossen. Nicht wissend, dass es die letzte Kugel ist, zielt Max bei seinem Probeschuss auf eine Taube. Agathe möchte ihn aufhalten, doch sie kommt zu spät und sinkt – wie getroffen – zu Boden.

Als sich die Aufregung legt, erkennen die Umstehenden, dass Agathe lebt. Der heilige Eremit des Waldes ist erschienen, er hat die Kugel umgeleitet und stattdessen Kaspar getroffen. Der Fürst erfährt von den Freikugeln und ist entsetzt. Er will Max verbannen und die Heirat verbieten. Doch der Eremit überzeugt ihn, dass Max aus Liebe und Verzweiflung gehandelt hat. Er bittet den Fürsten, den Probeschuss abzuschaffen und Max als Förster einzusetzen. Bewährt er sich, soll er nach Ablauf eines Jahres Agathe heiraten dürfen. Der Fürst ist einverstanden.

 

Das Motiv der „Häschen-Schule“ sorgt für Ironie

In der Inszenierung von Francis Hüsers wird das Geschehen in die Häschen-Schule aus dem bekannten Bilderbuch der 1920er-Jahre verlegt. Für mich ein sehr wirkungsvoller und gelungener Einfall, um das Naiv-kindliche und Biedere der Geschichte einzufangen und gleichzeitig ironisch zu brechen.

Alle Darstellenden haben Häschen-Ohren und ein Hasen-Schwänzchen, alle tragen lustige bunten Hosen und Hemden. Die Kulisse zeigt einen romantischen Wald und darin das Klassenzimmer der Häschen-Schule. Mit viel Witz und Dynamik wird vor diesem Hintergrund die Geschichte von Max und seinen moralischen Verirrungen erzählt.

Durch das Einbrechen des Bösen gerät die heile Welt der „Häschen“ in Schieflage: Während Max die Kugeln gießt, bricht die Bühnenkulisse in sich zusammen, geraten die Kostüme der Darstellenden immer mehr in Unordnung und sogar einige Häschen-Ohren knicken ab oder brechen gar ganz. Das macht den Figuren allerdings nur wenig aus, am Ende siegt das Gute und das Gottvertrauen.

 

Engagiertes Ensemble und eindrucksvolle Stimmen

Neben der einfallsreichen Inszenierung haben auch die Spielfreude und das Engagement des Ensembles dafür gesorgt, dass mich die Vorstellung von Anfang bis Ende „gepackt“ hat. Vor allem der hauseigene Chor, aber auch das Orchester und die Sänger*innen sind während der fast dreistündigen Oper mit großem Einsatz dabei.

Sehr gelungen war für mich auch die Besetzung: Der Tenor Alexander Geller spielt einen wunderbaren Max, hilflos und kindlich, verzweifelt und verliebt. Auch gesanglich ist er mitreißend und überzeugend. Sein „Verführer“, der „böse“ Kaspar, ist ebenfalls treffend besetzt: Insu Hwang setzt mit seinem tollen Bariton einen dämonischen Gegenpart zur heimeligen Häschen-Idylle.

Gut gefallen haben mir außerdem die Frauen-Rollen: Dorothea Brandt als Agathes treue Freundin Ännchen strahlt Optimismus und Lebensfreude aus und passt sich wunderbar in das Bild der Häschen-Schule ein. Agathe als ernste und von dunklen Vorahnungen geplagte Braut wird gesungen von Angela Davis – und das für meine Ohren mit viel gesanglichem Können.

Insgesamt sind sämtliche Rollen gut und passend besetzt. „Der Freischütz“ im Theater Hagen ist für mich eine stimmige und gelungene Inszenierung. Dies scheinen alle an diesem Abend so zu erleben, denn die Vorstellung erhält Standing Ovations vom Publikum.


Wer sich den Freischütz im Theater Hagen anschauen mag, muss schnell sein. Die vorerst letzte Vorstellung gibt es am 27. Januar 2024.


Titelbild: Kenneth Mattice, Oliver Weidinger, Dorothea Brandt, Angela Davis, Alexander Geller, Chor und Extrachor des Theaters Hagen. © Theater Hagen

Sabine Haas

Sie gründete 1994 das result Markt- und Medienforschungsinstitut, 2007 folgte eine Webagentur, im Jahr 2011 der Geschäftsbereich Beratung. Als Kennerin der alten wie auch Neuen Medien gehört sie zu den gern gesehenen Speakerinnen bei Fachveranstaltungen & Kongressen rund um das Thema "Digitaler Wandel/Medienwandel".

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