„Lohengrin“ am theaterhagen: Einige Schwächen, aber insgesamt gelungene Premiere

Lohengrin-Besetzung: Dong-Won Seo, Kenneth Mattice, Dorothea Herbert, Angela Davis, Insu Hwang

Ja, ich gebe zu, ich bin ganz schön oft in Hagen. Der Grund ist, dass eine gute Freundin von mir ein großer Fan dieses Theaters ist und dort ein Abo hat. Also bin ich auch dieses Wochenende mit ihr in die kleine Stadt am Rande des Ruhrgebietes gefahren. Diesmal sind wir bei der Premiere der Oper „Lohengrin“ von Richard Wagner. Ich bin sehr gespannt, denn diese Oper habe ich noch nie gesehen und meine Wagner-Erfahrungen sind ja – wie an anderer Stelle schon erzählt – eher begrenzt. Außerdem bin ich natürlich ein wenig auf dem „Wagner-Trip“, nachdem ich bei meiner Reise nach Bayreuth so viel Spannendes über den Komponisten erfahren habe. Und wieder mal muss ich sagen: Der Besuch des theaterhagen hat sich gelohnt. Es war ein schöner und kurzweiliger Abend.

Besonderes Werk mit wunderschöner Musik

„Lohengrin“ ist ein besonderes Werk, da Wagner mit dieser Oper seine neue Opernform begründete. Anders als die Komponisten vorher komponiert er nicht einzelne Abschnitte (Nummern) mit Rezitativen, Chorstücken und Arien, sondern ein durchgehendes Musikdrama. Das macht Wagners besondere Wirkung aus meiner Sicht aus, denn auf diese Weise zieht er das Publikum musikalisch sehr stark in seinen Bann – zumindest im Falle von „Lohengrin“.

Die Sage der Gralsritter wird erzählt

Die Geschichte basiert – wie fast immer bei Wagner – auf den deutschen Heldensagen: Es geht um den Gralsritter Lohengrin, Sohn des Parzival, der auf einem Schwan der Fürstin von Brabant zur Hilfe entsandt wird.

Nachdem der Fürst von Brabant verstorben ist, wachsen seine Kinder Elsa und Gottfried bei einem Vertrauten des Vaters, Friedrich von Telramund, auf. Eines Tages verschwindet Gottfried bei einem Spaziergang der Geschwister im Wald. Telramund beschuldigt Elsa, ihren Bruder getötet zu haben und wendet sich von ihr ab. Er hatte sie eigentlich zur Braut nehmen wollen, heiratet aber stattdessen Ortrud, die sich bald als die Böse der Geschichte erweist.

Ein Zweikampf soll entscheiden, ob Elsa schuldig oder unschuldig ist. Elsa muss in diesem Kampf von einem Ritter vertreten werden, und tatsächlich erscheint ein edler Schwertträger auf einem Schwan, der für Elsa gegen Telramund antritt. Der Ritter gewinnt den Zweikampf und damit auch Elsas Hand. Seine Bedingung ist allerdings, dass Elsa niemals nach seinem Namen fragen darf.

Von Ortrud ins Zweifeln gebracht, bricht Elsa ihren Schwur und will von ihrem Ritter wissen, wer er sei. Daraufhin muss dieser sein Geheimnis lüften: Er ist der Gralsritter Lohengrin und gesandt, um Elsa zu helfen. Einmal erkannt, darf er allerdings nicht bleiben, sondern muss zurück zum heiligen Gral. Bevor er Elsa verlässt, entzaubert er noch den Schwan, auf dem er anreiste: Es ist Gottfried, der von Ortrud verwandelt wurde.

Lohengrin-Besetzung: Insu Hwang, Tobias Haaks, Dorothea Herbert

©Theater Hagen

Vier anspruchsvolle Stunden mit viel Pathos und Drama

Die Oper wird in drei Akten erzählt und dauert ca. 3,5 Stunden mit zwei Pausen. Es ist eine wuchtige, sicher für alle Beteiligten auf der Bühne sehr anstrengende, aber auch temporeiche und spannende Oper, so dass wir uns in keiner Weise langweilen. Das theaterhagen bringt eine ordentliche Premiere auf die Bühne, allerdings merkt man, dass einige im Ensemble bei dieser anspruchsvollen Oper an ihre gesanglichen Grenzen stoßen. Dennoch: Wir verbringen einen schönen Abend und das Publikum, das sein theaterhagen liebt, reagiert mit stehendem Applaus.

Lohengrin und Elsa glänzen gesanglich

Inszeniert wird „Lohengrin“ von Nelly Danker. Sie entscheidet sich dafür, alle Figuren in den Kostümen verschiedener Vögel auftreten zu lassen. So ist Lohengrin ein Pfau, Elsa ein Schwan, ihre Kontrahentin Ortrud ist als Goldfasan kostümiert. Das passt ganz gut zu dem mystischen und sagenhaften Rahmen der Geschichte, wirkt aber dennoch ein wenig bemüht und uninspiriert. Immerhin: Das Bühnengeschehen wird dadurch sehr bunt und ist nett anzusehen.

Sehr gut besetzt sind die zwei Hauptrollen Lohengrin (Tobias Haaks) und Elsa (Dorothea Herbert). Beide haben unglaublich gewaltige und schöne Stimmen und spielen ihre Rollen sehr überzeugend. Nicht so gelungen wie sonst (zum Beispiel erst kürzlich im „Freischütz“) erscheint mir dagegen der Part von Insu Hwang, der den Telramund singt. Obwohl er mich sonst immer überzeugt hat, finde ich ihn an diesem Abend eher blass. Seine „Bühnen-Gemahlin“ Ortrud, gesungen von Angela Davis dagegen, füllt ihre Rolle sehr gut aus. Regelrecht deplatziert wirkt für mich Kenneth Mattice, der den Heerrufer des Königs spielt, und dessen Stimme der Rolle so gar nicht gewachsen scheint.

Dorothea Herbert in der Rolle der Elsa von Brabant

©Theater Hagen

Allerdings muss man sagen, dass das Orchester extrem „Gas gibt“ und mit viel Tempo und Begeisterung die wuchtigen Wagner-Melodien zum Besten gibt. Es spielt sehr toll, aber auch sehr laut. Es ist für Sänger*innen und Chor oft eine große Herausforderung, „gegen das Orchester anzusingen“. Vielleicht hätte Dirigent Joseph Trafton an der ein oder anderen Stelle die Instrumente zugunsten der Sängerinnen und Sänger etwas mehr zurücknehmen sollen. Aber ich bin zu sehr Laie, um das zu beurteilen.

Wie gesagt: Die Aufführung hat aus meiner Sicht einige Schwächen, ist aber dennoch eine gelungene Premiere. Obwohl die Herausforderung spürbar ist, hat sich theaterhagen unterm Strich an „ihrem Wagner“ nicht verhoben. Wir hatten jedenfalls wieder einmal sehr viel Spaß!

 


Foto Header: ©2023 – Theater Hagen gGmbH

Sabine Haas

Sie gründete 1994 das result Markt- und Medienforschungsinstitut, 2007 folgte eine Webagentur, im Jahr 2011 der Geschäftsbereich Beratung. Als Kennerin der alten wie auch Neuen Medien gehört sie zu den gern gesehenen Speakerinnen bei Fachveranstaltungen & Kongressen rund um das Thema "Digitaler Wandel/Medienwandel".

Kommentare

  1. Avatar
    Holger Grünewald 27. Februar 2024 at 9:41 - Reply

    Hagen ist meine Geburtsstadt und dem dortigen Theater verdanke ich meine ersten Opernerlebnisse. Den Öohengrin dort sehe ich am Sonntag. Auch hier scheint das Hagener Theater wieder seinem Ruf für Qualität trotz beschränkter Mittel gerecht geworden zu sein. Noch ein Tip, Frau Haas: Sie brauchen bei solchen bekannten Werken den Inhaltn nicht wiederzugeben. Wen die Kritik interessiert, kennt die Oper ohnehin, alle anderen werden auch die Kritik nicht lesen.

  2. Sabine Haas
    Sabine Haas 27. Februar 2024 at 9:48 - Reply

    Hallo Herr Grünewald, danke für Ihren Kommentar! Dann bin ich gespannt, wie Sie Lohengrin am Sonntag erleben. Ja, genau das macht Hagen: Mit einfachen Mitteln das Beste rausholen. Und sie sind unheimlich publikumsnah. Die Frage mit dem Inhalt stelle ich mir auch immer. Ich versuche es schon immer sehr knapp zu halten. Mein Ziel ist immer, auch Opern-Laien einen Einblick zu verschaffen. Daher denke ich, es ist für diese Zielgruppe vielleicht interessant, die Handlung zu erfahren. Aber Sie haben nicht unrecht… Denke mal drüber nach.. Lieben Dank für Ihr Interesse! Sabine Haas

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    Holger Grünewald 3. März 2024 at 21:36 - Reply

    Liebe Frau Haas, jetzt haben wir die Vorstellung gesehen. Kurz gesagt war ich nicht enttäuscht, vor allem Dirigent, Orchester und Chor sind bis zum Schluss sehr präsent und bieten große Momente (z.B. Finale 2. Akt). Sängerisch auf durchaus hohem Niveau. Die Entdeckung des Abends war für mich Angela Davis als Ortrud. „Entweihte Götter“ hatte fulminante Durchschlagskraft, diese Partie kann sie auch an großen Häusern singen. Da zeigt sich wieder Hagen als Sprungbrett für große Karrieren (hoffe ich doch). Die Inszenierung war mir etwas unbedarft. Die Idee mit den Vogelkostümen trägt nicht den ganzen Abend und ist manchmal unfreiwillig komisch. Letzlich läuft das dann doch auf das gute alte Rumstehtheater hinaus. Wenn im 2. Akt Schriftafeln „Wie behalte ich die Kontrolle?“ und „Kann ich ihr noch vertrauen“ eingeblendet werden, sind das zwar genau die Themen des Duetts. Das möchte ich dann aber auch gespielt sehen. Insgesamt aber durch die überzeugende musikalische Leistung ein packendes Erlebnis.

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    Holger Grünewald 3. März 2024 at 21:40 - Reply

    Nachtrag: waren Sie heute nochmal da? Wenn ich mir das Foto ansehe, glaube ich Sie e.rkannt zu haben.

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    Matthias Rademacher 4. März 2024 at 7:44 - Reply

    Dass das Orchester „sehr laut“ spielt, kann ich nach Besuch der Vorstellung am 3. März nicht bestätigen. Im 2. Rang ist die Akustik hervorragend und jedes Wort zu verstehen .Dafür sieht man dort fast nichts von den Videoprojektionen. Das Regiekonzept hat mich nicht ansatzweise überzeugt. Die Dauer der Premiere müssten Sie nochmal nachrechen – von 4 Stunden 25 am 3. März auf 3,5 Stunden mit Pausen bei der Premiere zu kommen, das kann überhaupt nicht stimmen!

  6. Sabine Haas
    Sabine Haas 4. März 2024 at 10:06 - Reply

    Hallo Herr Grünewald, nein, ich war nicht da. War am Sonntag in Eugen Onegin in Düsseldorf. Auch eine etwas seltsame Inszenierung, aber tolle Sänger. Bericht folgt. „Ortrud“ hat mir auch sehr gut gefallen!

  7. Sabine Haas
    Sabine Haas 4. März 2024 at 10:09 - Reply

    Hallo Herr Rademacher, danke für den Hinweis! Ich meinte natürlich 3,5 Std zggl. Pausen, das ändere ich ab. Und was das Orchester betrifft: Möglicherweise hat sich da etwas geändert nach der Premiere. Danke sehr für Ihren Kommentar!

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