„Lohengrin“ am theaterhagen: Einige Schwächen, aber insgesamt gelungene Premiere
Ja, ich gebe zu, ich bin ganz schön oft in Hagen. Der Grund ist, dass eine gute Freundin von mir ein großer Fan dieses Theaters ist und dort ein Abo hat. Also bin ich auch dieses Wochenende mit ihr in die kleine Stadt am Rande des Ruhrgebietes gefahren. Diesmal sind wir bei der Premiere der Oper „Lohengrin“ von Richard Wagner. Ich bin sehr gespannt, denn diese Oper habe ich noch nie gesehen und meine Wagner-Erfahrungen sind ja – wie an anderer Stelle schon erzählt – eher begrenzt. Außerdem bin ich natürlich ein wenig auf dem „Wagner-Trip“, nachdem ich bei meiner Reise nach Bayreuth so viel Spannendes über den Komponisten erfahren habe. Und wieder mal muss ich sagen: Der Besuch des theaterhagen hat sich gelohnt. Es war ein schöner und kurzweiliger Abend.
Besonderes Werk mit wunderschöner Musik
„Lohengrin“ ist ein besonderes Werk, da Wagner mit dieser Oper seine neue Opernform begründete. Anders als die Komponisten vorher komponiert er nicht einzelne Abschnitte (Nummern) mit Rezitativen, Chorstücken und Arien, sondern ein durchgehendes Musikdrama. Das macht Wagners besondere Wirkung aus meiner Sicht aus, denn auf diese Weise zieht er das Publikum musikalisch sehr stark in seinen Bann – zumindest im Falle von „Lohengrin“.
Die Sage der Gralsritter wird erzählt
Die Geschichte basiert – wie fast immer bei Wagner – auf den deutschen Heldensagen: Es geht um den Gralsritter Lohengrin, Sohn des Parzival, der auf einem Schwan der Fürstin von Brabant zur Hilfe entsandt wird.
Nachdem der Fürst von Brabant verstorben ist, wachsen seine Kinder Elsa und Gottfried bei einem Vertrauten des Vaters, Friedrich von Telramund, auf. Eines Tages verschwindet Gottfried bei einem Spaziergang der Geschwister im Wald. Telramund beschuldigt Elsa, ihren Bruder getötet zu haben und wendet sich von ihr ab. Er hatte sie eigentlich zur Braut nehmen wollen, heiratet aber stattdessen Ortrud, die sich bald als die Böse der Geschichte erweist.
Ein Zweikampf soll entscheiden, ob Elsa schuldig oder unschuldig ist. Elsa muss in diesem Kampf von einem Ritter vertreten werden, und tatsächlich erscheint ein edler Schwertträger auf einem Schwan, der für Elsa gegen Telramund antritt. Der Ritter gewinnt den Zweikampf und damit auch Elsas Hand. Seine Bedingung ist allerdings, dass Elsa niemals nach seinem Namen fragen darf.
Von Ortrud ins Zweifeln gebracht, bricht Elsa ihren Schwur und will von ihrem Ritter wissen, wer er sei. Daraufhin muss dieser sein Geheimnis lüften: Er ist der Gralsritter Lohengrin und gesandt, um Elsa zu helfen. Einmal erkannt, darf er allerdings nicht bleiben, sondern muss zurück zum heiligen Gral. Bevor er Elsa verlässt, entzaubert er noch den Schwan, auf dem er anreiste: Es ist Gottfried, der von Ortrud verwandelt wurde.
Vier anspruchsvolle Stunden mit viel Pathos und Drama
Die Oper wird in drei Akten erzählt und dauert ca. 3,5 Stunden mit zwei Pausen. Es ist eine wuchtige, sicher für alle Beteiligten auf der Bühne sehr anstrengende, aber auch temporeiche und spannende Oper, so dass wir uns in keiner Weise langweilen. Das theaterhagen bringt eine ordentliche Premiere auf die Bühne, allerdings merkt man, dass einige im Ensemble bei dieser anspruchsvollen Oper an ihre gesanglichen Grenzen stoßen. Dennoch: Wir verbringen einen schönen Abend und das Publikum, das sein theaterhagen liebt, reagiert mit stehendem Applaus.
Lohengrin und Elsa glänzen gesanglich
Inszeniert wird „Lohengrin“ von Nelly Danker. Sie entscheidet sich dafür, alle Figuren in den Kostümen verschiedener Vögel auftreten zu lassen. So ist Lohengrin ein Pfau, Elsa ein Schwan, ihre Kontrahentin Ortrud ist als Goldfasan kostümiert. Das passt ganz gut zu dem mystischen und sagenhaften Rahmen der Geschichte, wirkt aber dennoch ein wenig bemüht und uninspiriert. Immerhin: Das Bühnengeschehen wird dadurch sehr bunt und ist nett anzusehen.
Sehr gut besetzt sind die zwei Hauptrollen Lohengrin (Tobias Haaks) und Elsa (Dorothea Herbert). Beide haben unglaublich gewaltige und schöne Stimmen und spielen ihre Rollen sehr überzeugend. Nicht so gelungen wie sonst (zum Beispiel erst kürzlich im „Freischütz“) erscheint mir dagegen der Part von Insu Hwang, der den Telramund singt. Obwohl er mich sonst immer überzeugt hat, finde ich ihn an diesem Abend eher blass. Seine „Bühnen-Gemahlin“ Ortrud, gesungen von Angela Davis dagegen, füllt ihre Rolle sehr gut aus. Regelrecht deplatziert wirkt für mich Kenneth Mattice, der den Heerrufer des Königs spielt, und dessen Stimme der Rolle so gar nicht gewachsen scheint.
Allerdings muss man sagen, dass das Orchester extrem „Gas gibt“ und mit viel Tempo und Begeisterung die wuchtigen Wagner-Melodien zum Besten gibt. Es spielt sehr toll, aber auch sehr laut. Es ist für Sänger*innen und Chor oft eine große Herausforderung, „gegen das Orchester anzusingen“. Vielleicht hätte Dirigent Joseph Trafton an der ein oder anderen Stelle die Instrumente zugunsten der Sängerinnen und Sänger etwas mehr zurücknehmen sollen. Aber ich bin zu sehr Laie, um das zu beurteilen.
Wie gesagt: Die Aufführung hat aus meiner Sicht einige Schwächen, ist aber dennoch eine gelungene Premiere. Obwohl die Herausforderung spürbar ist, hat sich theaterhagen unterm Strich an „ihrem Wagner“ nicht verhoben. Wir hatten jedenfalls wieder einmal sehr viel Spaß!
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