Relativ kurzfristig hat eine Freundin mich vor einigen Tagen in die Oper nach Düsseldorf zu Nabucco eingeladen. Es war ein besonderer und beeindruckender Abend. Mein Fazit: Ein Besuch lohnt auf jeden Fall. (mehr …)
Am Wochenende stand ein Besuchim Aalto Theater in Essen auf dem Programm, es istPremiere der Oper „Wozzeck“ (Woyzeck) von Alban Berg. Ich mache mich auf einen schwierigen Opernabend gefasst, da sowohl das Stück „Woyzeck“ als auch die Musik von Alban Berg zumindest für mich nicht gerade leichte Kost darstellen. Da ich die Oper nicht kenne, bin ich gespannt, wie Alban Berg die Geschichte des Anti-Helden Woyzeck auf die Bühne bringt. Tatsächlich passen Alban Berg und „Wozzeck“ ganz prima zusammen und ich erlebe einen spannenden und beeindruckenden Opernabend.
Wozzeck / Woyzeck: der ewige Anti-Held
Kurz zur Handlung: Alban Berg setzt in seiner Oper – sehr gekonnt wie ich finde – das Stück „Woyzeck“ von Georg Büchner um. Im Mittelpunkt des Dramenfragments steht der arme, verzweifelte Soldat Woyzeck, der in den gesellschaftlich unruhigen Zeiten der 1830er-Jahre durch seine aussichtslose Stellung in der Gesellschaft mehr und mehr dem Wahnsinn verfällt. Er wird von seinem Vorgesetzen erniedrigt und es gelingt ihm kaum, den Lebensunterhalt für sein uneheliches Kind und dessen Mutter Marie zu verdienen. Um sein Einkommen aufzubessern, stellt er sich für die Forschungsstudien eines skrupellosen Arztes zur Verfügung, der ihn durch eine Erbsendiät psychisch und physisch ruiniert. Als Woyzeck erfährt, dass Marie ihn betrügt, verliert er seinen Verstand vollständig und ersticht sie in geistiger Verwirrung.
Der Komponist Alban Berg hatte Büchners Drama 1914 im Theater gesehen und beschlossen, dazu eine Oper zu komponieren. Sie wurde 1921 fertiggestellt und umfasst drei Akte und 15 Szenen. Mit seiner atonalen, expressionistischen Komposition unterstreicht Alban Berg die starke Emotionalität des Dramas und die tiefe Zerrissenheit der Hauptfigur in genialer Weise.
Wahnsinniger Bilderrauschspiegelt den Irrsinn des Wozzeck
In Essen wird die Oper von Martin G. Berger inszeniert. Ihm und dem Bühnenbild von Sarah-Katharina Karl gebührt besonderes Lob. Mit einer für mich sehr stimmigen Dramaturgie, viel Bühnentechnik und einer imposanten Licht-Installation verwandeln sie die Oper von Alban Berg in einen wahnsinnigen und kurzweiligen Bilderrausch, der wunderbar sowohl zu der Geschichte als auch zur Musik passt. Es werden alle technischen Register gezogen, die die Bühne hergibt, und dennoch wirken die Effekte – auch wenn es viele sind – insgesamt nicht übertrieben oder überladen. Im Gegenteil: Sie helfen mir, die Widersprüchlichkeit und den Irrsinn in Wozzecks Gedanken zu verstehen und seiner Perspektive zu folgen.
Die Verrücktheit des Protagonisten Wozzeck (Woyzeck) wird zum Leitmotiv der Inszenierung in Essen. Sein Verfall in den Wahnsinn wird schon in der ersten Szene symbolisiert von drei Narren, die Wozzeck in seinem Wohnzimmer heimsuchen und ihn bedrängen. Er verliert mehr und mehr den Bezug zur Realität, hat Wahnvorstellungen und kann sich seiner Umwelt in seiner wirren Gedankenwelt nicht verständlich machen. Dadurch wird er immer stärker isoliert. Nur die Narren verstehen ihn und warnen ihn: Einer wie er würde entweder zum Narren oder zum Mörder.
Alban Bergs atonale Musik fordert das ganze Ensemble
Alban Berg hat die Geschichte des armen Soldaten Wozzeck mit seiner atonalen Musik stringent und mit viel Tiefgang vertont. Auch seine Musik hat – zumindest für mich als ungeübte Hörerin – viele wahnsinnige und verrückte Züge. Dirigent Roland Kluttig führt sein Orchester souverän durch die Berg- und Talfahrten der Komposition, mal mit leisen Tönen, mal mit voller Wucht.
Auch die Sängerinnen und Sänger sind extrem gefordert, denn auch sie müssen – so scheint es mir zumindest – stimmlich über die Grenzen des „Normalen“ gehen. Vor allem die Besetzung Titelfigur, Heiko Trinsinger, leistet harte Arbeit in diesen knapp zwei Stunden. Er singt und spielt Wozzeck mit großem Engagement und ist in seiner Zerrissenheit für mich sehr überzeugend. Seine Gesangsleistung ist für meine Ohren grandios. Ebenso gut besetzt ist Deirdre Angenent als Marie, Torsten Hofmann als vorgesetzter Hauptmann und als Arzt Sebastian Pilgrim. Letztere spielen ihre Rollen mit viel Witz und Souveränität. Auch das restliche Ensemble ist gut besetzt und überzeugt an diesem Abend.
Die zweistündige Aufführung hat alles in allem ein enormes Tempo und führt das Publikum rasant einerseits durch den tristen Alltag des ständig nervösen Wozzeck, andererseits durch den rasanten Wechsel der Wahnbilder, die den Protagonisten mehr und mehr im Griff haben.
Albtraumhafter, aber tief beeindruckender Opernabend
Es ist ein albtraumhafter Abend, der sicher nicht als leicht und unterhaltsam klassifiziert werden kann, dennoch aber zutiefst beeindruckt. Getrübt wird der Operngenuss allerdings für mich dadurch, dass es keine Pause gibt. Da ich Neue Musik nicht gewöhnt bin, habe ich die Aufführung als wirklich anstrengend erlebt. Ich hätte sehr gut nach der Hälfte eine Pause brauchen können, um durchzuatmen, aber die ist vom Komponisten wohl nicht vorgesehen.
Wer Mut hat, für einen zwar anstrengenden, aber dennoch lohnenden Opernabend, dem kann ich „Wozzeck“ in Essen nur empfehlen.
Die nächsten Vorstellungen: 31. Mai; 6., 23., 27. Juni; 6. Juli; Wiederaufnahme in der kommenden Spielzeit ab 21. September.
Stimmlich und musikalisch beeindruckend, die Regie hinterlässt Fragen
Ein Ausflug an die Frankfurter Oper stand für mich schon länger auf dem Plan. Vergangenes Wochenende war es dann endlich so weit: Zusammen mit meinem Sohn besuchte ich die Premiere der Wagner-Oper Tannhäuser.
Die Oper Tannhäuser gehört zu meinen Favoriten. Es ist „ganz großes Kino“ und viel Pathos, mit dem Wagner die Geschichte des Ritters Tannhäuser erzählt, der sich von Venus, der Göttin der Lust, hat versuchen lassen und durch den unerschütterlichen Glauben der reinen Jungfrau Elisabeth am Ende erlöst wird. Das musikalisch opulente und gesanglich beeindruckende Werk zieht mich immer wieder in seinen Bann.Die Handlung kurz zusammengefasst
Ritter Tannhäuser ist der Lust-Göttin Venus verfallen und lebt bei ihr im Venusberg. Doch er vermisst sein irdisches Dasein und beschließt, sie zu verlassen. Zurück auf der Erde kehrt er an die Wartburg zurück und nimmt dort an einem Gesangswettstreit teil. Elisabeth, die schon früher in Liebe zu Tannhäuser entbrannte Tochter des Burgfürsten, nimmt als Schiedsrichterin an dem Wettbewerb teil. Im Zuge des „Sängerkrieges“ gesteht Tannhäuser, im Venusberg gewesen zu sein.
Diese Sünde ruft Entsetzen hervor. Nur mit Mühe schafft Elisabeth es, Tannhäuser vor dem Tod zu retten. Er wird stattdessen verbannt und pilgert nach Rom, um dort Vergebung zu erbitten. Der Papst spricht ihn jedoch nicht frei, da er dem Teufel verfallen sei. Elisabeth betet derweil für seine Erlösung und stirbt aus Liebe, als sie merkt, dass er zunächst von seiner Pilgerfahrt nicht zurückkehrt. Als Tannhäuser dies erfährt, stirbt auch er – schließlich doch noch erlöst durch Elisabeths Opfer.
Die Wartburg wird zum Hörsaal im San Francisco der 1960er-Jahre
Matthew Wild erzählt Wagners Oper in Frankfurt als Geschichte eines Paares der 1960er-Jahre in San Francisco. Schriftsteller Heinrich von Ofterdingen (Tannhäuser) kämpft mit seinen – damals verbotenen – homoerotischen Fantasien, die ihn mehr und mehr zerstören. Seine Frau (Elisabeth) ist die Einzige, die zu ihm steht und ihm seine „Sünden“ verzeiht.
Die Idee der Inszenierung ist es, die gesellschaftskritischen Diskussionen in den amerikanischen Nachkriegsjahren zu thematisieren. Auch wird der Fokus auf die starke Anziehung gelegt, die Wagners Tannhäuser wohl immer schon für „queere Rezipienten“ ausgeübt hat, so zum Beispiel bei Ludwig II. oder Oscar Wilde.
Gelungenes Bühnenbild
Ins Bild gesetzt wird diese Lesart durch einen Hörsaal, in dem die inzwischen gealterte Elisabeth die Geschichte ihres Schriftsteller-Gatten Ofterdingen/Tannhäuser erzählt.
Die Höhle der Venus wird durch drei übergroße Schaufenster dargestellt, die jeweils als Hotelzimmer eingerichtet sind und in denen Heinrichs homoerotische Fantasien visualisiert werden. Venus selbst hat das Antlitz des Todes, sie steht für die zerstörerische Kraft von Ofterdingens/Tannhäusers sexuellen Visionen. Kostüme, Videotechnik und Bühnenbild wirken beeindruckend. Sie ziehen von Anfang an in die Handlung hinein und unterstützen die Dramaturgie der Handlung in gekonnter Art und Weise.
Die Idee der Regie dagegen geht für uns nicht richtig auf. Im Gegenteil, wir erleben ein Störgefühl, das im Laufe des Abends immer stärker wird. Die homoerotische Liebe wird von Wild mit einem Wust an düsteren, mythischen Gestalten dargestellt, wie Ganymed oder der „schwarze Bock“. Venus mit ihrem Todes-Aussehen verabreicht Ofterdingen/Tannhäuser Drogen, damit er immer stärker seinem Lust-Wahn verfällt.
Elisabeth dagegen verkörpert die biedere, saubere Jungfrau, ganz die brave, gute Frau der bürgerlichen Nachkriegsgeneration in den USA. Sie bleibt von Anfang bis Ende adrett und sauber, einfach makellos.
Aus unserer Sicht führt diese schematische Darstellung der zwei Welten dazu, dass die homoerotischen Neigungen des Protagonisten Ofterdingen/Tannhäuser als negative, zerstörerische Kraft und als ein fatales Gegenbild zu einem „guten und moralischen“ Leben vermittelt werden: Tannhäuser verliert sich in seinen „bösen“ drogen-geputschten homosexuellen Begierden und kann nur durch die Reinheit der „bürgerlichen“ Elisabeth Erlösung gelangen.
Dies ist sicher nicht das, was Matthew Wild erzählen will. Dennoch ist es genau das, was wir durch das Geschehen auf der Bühne wahrnehmen. Die vom Regisseur entwickelte Geschichte wirkt nicht wie eine Kritik an Biederkeit und Moral, sondern eher wie ein Plädoyer für die bürgerlichen Werte der damaligen Zeit.
Musikalisch grandiose Premiere
Vollkommen überzeugend dagegen ist für uns die musikalische und gesangliche Umsetzung der Wagner-Oper an diesem Abend. Die gesamte Besetzung ist großartig gewählt, sowohl darstellerisch als auch gesanglich sehr überzeugend. Der Chor und das Orchester unter Leitung von Thomas Guggeis sind einfach nur großartig.
Marco Jentzsch gibt einen überzeugenden und sehr sympathischen Tannhäuser und nimmt uns gleich zu Beginn für sich ein. Christina Nilsson als Elisabeth ist ebenfalls hervorragend gewählt und passt aus unserer Sicht perfekt in die Rolle. Auch die übrigen Sängerinnen und Sänger sind sehr gut besetzt und zeigen großes Engagement.
Kein Wunder also, dass es zum Abschluss der vierstündigen Premiere Standing Ovations gibt. Auch wir sind ganz beseelt von einem hoch emotionalen und musikalisch grandiosen Opernabend. Obwohl uns die Regie etwas hilflos zurücklässt, dieser Tannhäuser ist durchaus eine Reise nach Frankfurt am Main wert.
Die nächsten Termine sind bis 30. Mai 2024 bereits ausverkauft. Für diesen Tag sowie die Vorstellung am 2. Juni 2024 gibt es zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung noch Restkarten.
Der vergangene Sonntag war für meine Freundin und mich wie eine Reise durch verschiedene Länder: An einem frühlingshaften Sonntag genießen wir zuerst eintolles Essen in einem wunderbaren argentinischen Restaurant mit einem herzlichen Team und lassen uns dann von einer minimalistisch inszenierten und gesanglich hervorragenden Oper nach Russland entführen.
Ein Ausflug in die Düsseldorfer Altstadt
Sonntagnachmittag ist eigentlich nicht die Zeit, in der ich üblicherweise in die Oper gehe. Jetzt war ich sogar zweimal hintereinander in der Sonntagsvorstellung: erst bei „Lohengrin“ in Hagen und diesmal in „Eugen Onegin“ in Düsseldorf. Aber zunächst bin ich zum Mittagessen verabredet.
Bei sonnigem und überraschend warmem Wetter schlendere ich durch die Düsseldorfer Altstadt. Als Kölnerin bin ich da ja eher selten und stelle fest: Auch Düsseldorf hat durchaus seinen Charme.
Ich bin mit meiner Freundin in einem Restaurant verabredet, von dem sie in einem Stadtmagazingelesen hatte. Es liegt wirklich direkt in der Altstadt, nahe dem Rheinufer. Leider können wir nur drinnen sitzen, da das frisch eröffnete Restaurant erst in den kommenden Wochen seinen Außenbereich einrichten wird. Mit so viel Sonne Anfang März hatte niemand gerechnet.
Ein Restaurant mit Herz und hervorragender Küche
Es ist ein original argentinisches Steakhaus mit dem Namen Estilo Campo. Üblicherweise bin ich eher ein Freund nachhaltiger und regionaler Lebensmittel und daher ein wenig skeptisch, ob man wirklich Fleisch aus Argentinien importieren muss. Sicher kann man da geteilter Meinung sein, allerdings ist das Steak in diesem Restaurant wirklich etwas Besonderes und auch die Beilagen sind ein Genuss.
Sowohl Inhaberin, Koch und auch das gesamte Team sind argentinischer Herkunft, soweit ich das aus den Gesprächen verstanden habe. Die Inhaberin erklärt uns, dass sie eigentlich einen Fleisch-Großhandel betreiben und die besten Steakhäuser in Deutschland beliefern würden. Vor einigen Monaten dann hätten sie entschieden, ein eigenes Restaurant aufzumachen. Wir sind extrem begeistert: Nicht nur das Essen ist wirklich außergewöhnlich lecker, auch der Service ist unglaublich zugewandt und die gute Sitte, dass der Koch von Tisch zu Tisch geht, habe ich auch schon lange nicht mehr erlebt.
Ich wünsche jedenfalls diesem Restaurant von Herzen alles Gute, auch wenn es nicht mit regionaler Küche aufwartet. Der Besuch des Estilo Campo ist wie eine kleine Reise nach Argentinien und hat uns so viel Spaß gemacht, dass wir die Zeit vergessen haben und ziemlich überstürzt aufbrechen und zur Oper rennen müssen, um nicht zu spät zu kommen.
Tschaikowskys „Eugen Onegin“: Minimalistische Inszenierung lässt Raum für große Gefühle
Die Inszenierung von Tschaikowskys Werk„Eugen Onegin“, das uns in der „Deutschen Oper am Rhein“ erwartet, wurde schon in verschiedenen Artikeln besprochen. Ich hatte im Vorfeld zu der Inszenierung sowohl Negativesals auch sehr Positivesgelesen und bin gespannt, auf welche Seite wir uns schlagen würden.
Tatsächlich ist das Bühnenbild mit seiner Holzwand, die wie ein Bausteinsystem verschoben werden kann, sehr minimalistisch. Mal stellen die Holzquader eine einfache Wand dar, die die Darsteller je nach Kontext entweder einengt oder ihnen Raum gibt. Oder sie bildet eine Treppe, auf der sich das Ensemble bewegt. Ein einfaches Konzept, das Regisseur Michael Thalheimer da entwickelt, mit – wie ich finde – großer Wirkung.
Das schlichte Bühnenbild und die ebenso schlichten Kostüme entwickeln für mich im Laufe des Abends eine überraschend ästhetische Wirkung: Das warme Holz im Hintergrund, die leichten Sommerkleider der Frauen, die lockeren Outfits der Männer bilden eine stimmige, sehr natürliche und luftige Atmosphäre, die unglaublich gut zu der Handlung passt.
Die Geschichte ist sehr russisch, voller Melodram: Auf dem Landsitz der Witwe Larina leben ihre zwei Töchter Tatjana und Olga. Während Olga unbeschwert und optimistisch ihrer Ehe mit dem Kindheitsfreund Lenski entgegenblickt, ist Tatjana voller Schwermut und versinkt träumerisch in ihren Büchern.
Als Lenski mit einem neuen Nachbarn, dem weltgewandten Eugen Onegin, zu Besuch erscheint, verliebt sich Tatjana sofort in diesen Fremden. Ganz gegen die Konventionen ihrer Zeit gesteht sie Eugen Onegin ihre Liebe in einem Brief. Der weist sie ab, da er nicht für die Ehe geschaffen sei.
Bei einem kurz darauf stattfindenden Festball mach sich Onegin einen Spaß daraus, seinen Freund Lenski eifersüchtig zu machen, indem er mit Olga tanzt. Lenski ist außer sich, fordert Onegin zum Duell und wird von diesem erschossen. Anschließend reist Onegin jahrelang voller Schuldgefühle durch die Welt.
Als er endlich zurückkehrt, trifft er in St. Petersburg Tatjana wieder und erkennt, dass sie die Frau seines Lebens ist. Diese ist allerdings inzwischen verheiratet und weist ihn ab.
Peter Iljitsch Tschaikowsky erzählt diese unglückliche Liebesgeschichte voller Pathos. Der Weg durch das Leben wird in dieser Oper als ein Weg voller Enttäuschungen und Kompromisse gezeichnet. Während die Jugend voller Träume und Hoffnungen ist, haben sich die Älteren abgefunden mit Gewohnheiten und ihre Liebe meist durch Zweckbeziehungen ersetzt.
Im Mittelpunkt der Oper stehen die hochfahrenden Träume und die tiefen Enttäuschungen der Protagonisten. Daher erlebe ich es als sehr passend, die Figuren in den Mittelpunkt zu stellen und den gesamten Fokus auf die Darsteller*innen zu legen.
Die Sängerinnen und Sänger werden aus meiner laienhaften Sicht ihren Rollen durchaus gerecht: Sie singen voller Emotion und Leidenschaft und können in dem mehr oder weniger leeren Raum durchaus bestehen. Sie sind alle überzeugend, so dass es mir schwerfällt, jemanden hervorzuheben. Besonders gefallen haben mir neben den Hauptdarsteller*innen die Kinderfrau Filipjewna, gesungen von Ulrike Helzel, und Sami Luttinen als Fürst Gremin.
Die Hauptfiguren sind – aus meiner Sicht – sowohl schauspielerisch als auch gesanglich überzeugend und es gelingt ihnen mit ihrem großen darstellerischen Einsatz die starken Emotionen der Figuren zu vermitteln. Zu nennen sind Ekaterina Sannikova als Tatjana, Bodgan Baciu als Eugen Onegin und David Fischer (Zweitbesetzung) als Lenski.
Die dreistündige Oper zeichnet sich sicher nicht durch Action und Schnelligkeit aus. Dennoch ist man mitgerissen und folgt dem Geschehen zwischen den Figuren voller Mitgefühl. Dafür sorgt natürlich auch die teilweise schwermütige und emotionale Musik voller russischer Seele, die Tschaikowsky für diese Oper komponiert hat.
Es ist ein gelungener Sonntag, den wir in Düsseldorf erleben. Und es ist wie eine Reise in verschiedene Welten: erst Argentinien, dann Russland.
Ja, ich gebe zu, ich bin ganz schön oft in Hagen. Der Grund ist, dass eine gute Freundin von mir ein großer Fan dieses Theaters ist und dort ein Abo hat. Also bin ich auch dieses Wochenende mit ihr in die kleine Stadt am Rande des Ruhrgebietes gefahren. Diesmal sind wir bei der Premiere der Oper „Lohengrin“ von Richard Wagner. Ich bin sehr gespannt, denn diese Oper habe ich noch nie gesehen und meine Wagner-Erfahrungen sind ja – wie an anderer Stelle schon erzählt – eher begrenzt. Außerdem bin ich natürlich ein wenig auf dem „Wagner-Trip“, nachdem ich bei meiner Reise nach Bayreuth so viel Spannendes über den Komponisten erfahren habe. Und wieder mal muss ich sagen: Der Besuch des theaterhagen hat sich gelohnt. Es war ein schöner und kurzweiliger Abend.
Besonderes Werk mit wunderschöner Musik
„Lohengrin“ ist ein besonderes Werk, da Wagner mit dieser Oper seine neue Opernform begründete. Anders als die Komponisten vorher komponiert er nicht einzelne Abschnitte (Nummern) mit Rezitativen, Chorstücken und Arien, sondern ein durchgehendes Musikdrama. Das macht Wagners besondere Wirkung aus meiner Sicht aus, denn auf diese Weise zieht er das Publikum musikalisch sehr stark in seinen Bann – zumindest im Falle von „Lohengrin“.
Die Sage der Gralsritter wird erzählt
Die Geschichte basiert – wie fast immer bei Wagner – auf den deutschen Heldensagen: Es geht um den Gralsritter Lohengrin, Sohn des Parzival, der auf einem Schwan der Fürstin von Brabant zur Hilfe entsandt wird.
Nachdem der Fürst von Brabant verstorben ist, wachsen seine Kinder Elsa und Gottfried bei einem Vertrauten des Vaters, Friedrich von Telramund, auf. Eines Tages verschwindet Gottfried bei einem Spaziergang der Geschwister im Wald. Telramund beschuldigt Elsa, ihren Bruder getötet zu haben und wendet sich von ihr ab. Er hatte sie eigentlich zur Braut nehmen wollen, heiratet aber stattdessen Ortrud, die sich bald als die Böse der Geschichte erweist.
Ein Zweikampf soll entscheiden, ob Elsa schuldig oder unschuldig ist. Elsa muss in diesem Kampf von einem Ritter vertreten werden, und tatsächlich erscheint ein edler Schwertträger auf einem Schwan, der für Elsa gegen Telramund antritt. Der Ritter gewinnt den Zweikampf und damit auch Elsas Hand. Seine Bedingung ist allerdings, dass Elsa niemals nach seinem Namen fragen darf.
Von Ortrud ins Zweifeln gebracht, bricht Elsa ihren Schwur und will von ihrem Ritter wissen, wer er sei. Daraufhin muss dieser sein Geheimnis lüften: Er ist der Gralsritter Lohengrin und gesandt, um Elsa zu helfen. Einmal erkannt, darf er allerdings nicht bleiben, sondern muss zurück zum heiligen Gral. Bevor er Elsa verlässt, entzaubert er noch den Schwan, auf dem er anreiste: Es ist Gottfried, der von Ortrud verwandelt wurde.
Vier anspruchsvolle Stunden mit viel Pathos und Drama
Die Oper wird in drei Akten erzählt und dauert ca. 3,5 Stunden mit zwei Pausen. Es ist eine wuchtige, sicher für alle Beteiligten auf der Bühne sehr anstrengende, aber auch temporeiche und spannende Oper, so dass wir uns in keiner Weise langweilen. Das theaterhagen bringt eine ordentliche Premiere auf die Bühne, allerdings merkt man, dass einige im Ensemble bei dieser anspruchsvollen Oper an ihre gesanglichen Grenzen stoßen. Dennoch: Wir verbringen einen schönen Abend und das Publikum, das sein theaterhagen liebt, reagiert mit stehendem Applaus.
Lohengrin und Elsa glänzen gesanglich
Inszeniert wird „Lohengrin“ von Nelly Danker. Sie entscheidet sich dafür, alle Figuren in den Kostümen verschiedener Vögel auftreten zu lassen. So ist Lohengrin ein Pfau, Elsa ein Schwan, ihre Kontrahentin Ortrud ist als Goldfasan kostümiert. Das passt ganz gut zu dem mystischen und sagenhaften Rahmen der Geschichte, wirkt aber dennoch ein wenig bemüht und uninspiriert. Immerhin: Das Bühnengeschehen wird dadurch sehr bunt und ist nett anzusehen.
Sehr gut besetzt sind die zwei Hauptrollen Lohengrin (Tobias Haaks) und Elsa (Dorothea Herbert). Beide haben unglaublich gewaltige und schöne Stimmen und spielen ihre Rollen sehr überzeugend. Nicht so gelungen wie sonst (zum Beispiel erst kürzlich im „Freischütz“) erscheint mir dagegen der Part von Insu Hwang, der den Telramund singt. Obwohl er mich sonst immer überzeugt hat, finde ich ihn an diesem Abend eher blass. Seine „Bühnen-Gemahlin“ Ortrud, gesungen von Angela Davis dagegen, füllt ihre Rolle sehr gut aus. Regelrecht deplatziert wirkt für mich Kenneth Mattice, der den Heerrufer des Königs spielt, und dessen Stimme der Rolle so gar nicht gewachsen scheint.
Allerdings muss man sagen, dass das Orchester extrem „Gas gibt“ und mit viel Tempo und Begeisterung die wuchtigen Wagner-Melodien zum Besten gibt. Es spielt sehr toll, aber auch sehr laut. Es ist für Sänger*innen und Chor oft eine große Herausforderung, „gegen das Orchester anzusingen“. Vielleicht hätte Dirigent Joseph Trafton an der ein oder anderen Stelle die Instrumente zugunsten der Sängerinnen und Sänger etwas mehr zurücknehmen sollen. Aber ich bin zu sehr Laie, um das zu beurteilen.
Wie gesagt: Die Aufführung hat aus meiner Sicht einige Schwächen, ist aber dennoch eine gelungene Premiere. Obwohl die Herausforderung spürbar ist, hat sich theaterhagen unterm Strich an „ihrem Wagner“ nicht verhoben. Wir hatten jedenfalls wieder einmal sehr viel Spaß!
In diesem Jahr habe ich mich entschieden, Karneval zu „entfliehen“ und stattdessen mit zwei Freundinnen eine Kurzreise nach Bamberg und Bayreuth zu machen. Nach einem Start mit Hindernissen (Autopanne), erleben wir fünf wunderbare Urlaubstage mit unglaublich vielen verschiedenen Eindrücken. Bamberg begeistert uns mit seinen kleinen Geschäften, seinen historischen Gebäuden und natürlich den herausragenden Symphonikern. Bayreuth entführt uns mit seiner herrschaftlichen Pracht in die Zeit des Markgrafenpaares Friedrich und Wilhemine (1735-1763) sowie in die Welt von Richard Wagner (1813-1883). Und als kleinen Zwischenstopp auf der Rückfahrt nehmen wir auch das pittoreske Städtchen Limburg noch mit.
Tag 1: Auf Shopping-Entdeckertour in Bamberg
In Bamberg kommen wir durch unsere Autopanne etwas verspätet an. Das Wetter ist miserabel und wird sich die nächsten Tage auch nicht sonderlich verbessern. Aber das verleidet uns die Reise nicht, darauf muss man im Februar einfach gefasst sein. Also treten wir mit Schirm und in der Dämmerung einen ersten Rundgang durch die Stadt an.
Gleich auf den ersten Metern bleiben wir in einem Bürstenladen „hängen“. Das kleine Geschäft Bürsten Nickles besteht seit 1907 und wird derzeit von der 4. Generation der Familie betrieben. Ein wunderbarer Laden mit historischer Einrichtung und einer liebevoll ausgesuchten Produktpalette. Die Bürsten sind teilweise handgefertigt in der eigenen Werkstatt.
Kaum zwei Straßen weiter entdecken wir ein weiteres spannendes Geschäft: Das Atelier des Schmuckdesigner-Paares Nora Kovats und Alvaro-Luca Ellwart. Während sie sehr aufwändige, bunte und mit Liebe zum Detail gestaltete Emaille-Arbeiten gestaltet, arbeitet er mit Pflanzenmaterialien, die in einem mehrstufigen Prozess in Metall gegossen und damit dauerhaft gemacht werden. Beide haben sehr individuelle Produkte, aber vor allem eine große Leidenschaft, die sich spürbar in ihre Kreationen überträgt.
Läden wie diese beiden finden sich sehr viele in der Bamberger Altstadt. So entdecken wir noch zwei sehr individuelle Hutläden, einen unglaublich netten Second-Hand-Bekleidungs-Shop, Keramikwaren, Delikatessen-Geschäfte und vieles mehr. All diesen kleinen Geschäften ist gemeinsam, dass sie eine auffallend geschmackvolle und schöne Schaufenster-Dekoration haben, so dass der Rundgang durch Bamberg von einem Blickfang zum nächsten führt.
Tag 2: Auf den Spuren der 1.000-jährigen Stadtgeschichte
Aber natürlich locken nicht nur die Schaufenster. Am nächsten Tag nehmen wir uns die Stadt noch einmal genauer vor: Die Bamberger Altstadt mutet ein wenig wie Venedig an, durch die Innenstadt fließen sowohl die Regnitz als auch der Main-Donau-Kanal. Das uralte Rathaus mit seinen imposanten Fassadenmalereien ist komplett von Wasser umspült und viele kleine Brücken führen über den Fluss und den Kanal. Es gibt sogar ein „Klein Venedig“: eine kleine Siedlung alter Fischerhäuser aus Fachwerk, die direkt ans Ufer grenzen. Von dort kann man Boots- und sogar Gondelausflüge starten, was wir aber nicht gemacht haben. Überall spürt man die 1.000-jährige Geschichte der Stadt.
Natürlich schauen wir uns die ein oder andere historische Sehenswürdigkeit genauer an. Wir entscheiden uns für eine Ausstellung in der Alten Hofhaltung, in der gerade eine kleine „Winterausstellung“ zum Thema „Im Fluss der Geschichte – Bambergs Lebensader Regnitz“ läuft. Wir sind fasziniert, sowohl von der sehr spannenden Ausstellung als auch von dem Gebäude selbst, das aus dem 15. Jahrhundert stammt. Anschließend besuchen wir noch das alte Rathaus, in dem sich ein Porzellanmuseum befindet.
Danach wird es Zeit für eine Pause. Das ist in Bamberg kein Problem, denn gastronomisch hat Bamberg ebenfalls eine Menge zu bieten. Es gibt das sogenannte „Rauchbier“, das in verschiedenen Brauhäusern angeboten wird. Außerdem entdecken wir verschiedene sehr hübsch aussehende italienische Restaurants und einige nette Cafés. Unser Favorit ist das Café Zuckerstück, das ein wunderbares Ambiente mit extrem leckeren hausgemachten Kuchen verbindet.
Highlight am Abend: ein Konzert der Bamberger Symphoniker
Am Abend dann erwartet uns ein besonderes Highlight: Wir haben Karten für ein Konzert der Bamberger Symphoniker. Da auf den braunen Autobahnschildern vor Bamberg auf „Die Symphoniker-Stadt“ hingewiesen wird, gehen wir von einem besonderen Musikerlebnis aus. Tatsächlich erleben wir ein Konzert eines Symphonieorchesters von Weltrang in dem funktionalen und lichten Konzertsaal der Stadt.
Tag 3: Barocker Prunk und prachtvolle Gebäude in Bayreuth
Unsere zweite Station ist Bayreuth. Im Unterschied zu Bamberg ist diese Stadt deutlich weitläufiger. Im Zentrum trifft man auf breite Prachtstraßen, gesäumt von wunderschönen Altbauten und imposanten historischen Gebäuden. Das Angebot an Museen ist groß und wir beginnen unsere Erkundungstour mit dem Markgräflichen Opernhaus. Das barocke Opernhaus und das zugehörige Museum nehmen uns für mehrere Stunden in Beschlag, so sehr faszinieren sie uns.
Im Opernhaus selbst ist man zunächst regelrecht geblendet von der Pracht und dem überbordenden Wand- und Deckenschmuck. Bei näherem Hinsehen fällt auf, dass die Baumaterialen des Theaters eher einfach sind: Holz und Leinwand dominieren die Innenarchitektur, nicht Stein und edler Marmor. Die Erklärung findet man im Museum: Wir lernen, dass das markgräfliche Opernhaus 1746-1750 anlässlich einer Hochzeitsfeier errichtet wurde und nicht auf Dauer ausgerichtet war. Es ist fast ein Wunder, dass es noch existiert: Gebäude dieser Architekturform sind inzwischen nicht mehr erhalten, die meisten wurden durch Brände vernichtet. So hat es das Opernhaus Bayreuth als einzigartiges barockes Theater zum Weltkulturerbe geschafft.
Ein entspannter Theaterabend mit „Mein Freund Harvey“
Am Abend steht ein Theaterbesuch an. Wir gehen in die Studiobühne Bayreuth, dort steht „Mein Freund Harvey“ auf dem Spielplan. Das Stück ist eine Komödie, die in den späten 50er- und 60er-Jahren mehrfach verfilmt wurde. Sie handelt von dem sehr höflichen und liebenswerten Mr. Elwood P. Dowd, der seine Mitmenschen irritiert, weil er immer in Begleitung seines Freundes Harvey unterwegs ist. Dieser Freund ist ein für alle unsichtbarer, etwa zwei Meter großer, weißer Hase. Seine Familie will Dowd in eine psychiatrische Klinik einweisen, aber die zwar altmodische, aber durchaus vernünftige Ausstrahlung des „Patienten“ lässt die Ärzte zweifeln. Es kommt zu verschiedenen Verwechslungen, die in der unterhaltsamen Komödie am Ende dazu führen, dass die Begriffe „normal“ und „krank“ in neuem Licht erscheinen. In Bayreuth wird das Stück noch bis Anfang April auf die Bühne gebracht, dargestellt von einem sehr spielfreudigen und bunten Ensemble. Vor allem die Hauptrolle ist sehr gelungen besetzt. Wir verbringen einen kurzweiligen Abend in dem familiären Theater, bei dem es im Keller noch eine „After-Show-Bar“ zu geben scheint, die wir allerdings nicht besuchen. 😊.
Vor dem Theaterbesuch entdecken wir noch ein kulinarisches Highlight: Wir besuchen das Restaurant „Hanskaschber“, das mitten im Tierpark direkt am Röhrensee liegt. Wir essen hervorragende Burger, die wirklich außergewöhnlich lecker schmecken, und treffen auf ein extrem nettes und kundenorientiertes Service-Team. Das Burger-Restaurant liegt nahe an der Studiobühne, so dass wir von dort in wenigen Minuten zur Vorstellung gehen können.
Tag 4: Ganz im Zeichen von Richard Wagner
Der folgende Tag in Bayreuth ist Richard Wagner gewidmet. Wir besichtigen das Wagner-Haus mit dem dort untergebrachten Museum und erhalten eine Führung durch das Festspielhaus auf dem berühmten „Grünen Hügel“. Auch hier sind wir mehrere Stunden gefesselt. Wir lesen uns fest an der Geschichte dieses Ausnahme-Komponisten, der ganz anders war als ich ihn mir vorgestellt hatte: ein „Filou“, der sein Leben lang auf der Flucht war, entweder vor Schuldnern, wütenden Ehemännern oder – nach Beteiligung an der deutschen Revolution 1849 – vor der Justiz. In Bayreuth „strandete“ der Verfolgte schließlich und konnte durch Protektion von Ludwig II. sein Festspielhaus bauen.
Das Festspielhaus selbst ist so spannend wie sein „Erfinder“. Es hat viele bauliche Besonderheiten, die zum Großteil nicht aus akustischen Gründen so geplant waren, sondern sich aus Wagners Wunsch heraus ergaben, einen möglichst puristischen Rahmen für seine Opern zu schaffen, bei dem nichts vom Bühnengeschehen ablenkt. Eher zufällig entstand daraus ein Festspielhaus mit überragender Akustik – und äußerst schlecht gepolsterten Sitzreihen.
Befasst man sich mit den Opern von Richard Wagner, dann ist auch das Thema Nationalsozialismus nicht weit. Mit viel Offenheit und Akribie wird auch dieser Abschnitt der Rezeptionsgeschichte aufgearbeitet und in einer eigenen Teilausstellung thematisiert. Wir erfahren, dass vor allem die Schwiegertochter des Komponisten, Winifried Wagner, eine glühende Anhängerin von Hitler war. Sie öffnete dem Nationalsozialismus bei den Wagner-Festspielen freudig die Türen und machte aus den Opernaufführungen eine propagandistische Veranstaltung. Heute stehen die Festspiele unter der Leitung von Katharina Wagner, der Urenkelin von Richard Wagner. Jahr für Jahr trifft sich dort die Prominenz des Landes, um sich Wagners Ring oder eine andere Oper des Komponisten anzuschauen.
Nach einem Tag voller Informationen lassen wir den Abend im Brauhaus ausklingen. Allerdings gehen wir nicht in die berühmte Maisel-Brauerei, die in der Stadt ihren Sitz hat, sondern in das Brauhaus Oskar am Markt. Es hat eine sehr nette und gemütliche Atmosphäre, ganz wie in einem Kölschen Brauhaus. Ich wage mich an ein typisch fränkisches Gericht: Schäufele mit Kloß und Krautsalat. Ganz schön mutig von mir, denn als die riesige Portion vor mir steht, fühle ich mich doch leicht überfordert…
Tag 5: Fahrt ins Fichtelgebirge und ein letzter Stopp in Limburg
Da das Wetter sehr ungemütlich ist und es während unseres Bayreuth-Aufenthalts meistens regnet, verzichten wir auf einen Besuch der Eremitage mit ihren weitläufigen und im Sommer sicher herrlichen Parkanlagen. Wir fahren zwar vorbei, um uns das Schloss anzuschauen, entscheiden uns dann aber für eine Autotour durch das Fichtelgebirge, da wir am letzten Tag noch etwas vom Umland sehen möchten. Unsere Fahrt führt uns zum Ochsenkopf, auf dem es ein Skigebiet mit Sprungschanze gibt. Es ist eine schöne Region, das erkennt man selbst bei Regen, und sicher – bei besserem Wetter – auch gut zum Wandern geeignet.
Schließlich treten wir die Rückreise an. Da wir noch ein wenig Zeit haben, machen wir noch einen Abstecher nach Limburg. Es ist Rosenmontag, viele Läden und auch Cafés haben geschlossen. Aber wir flanieren durch die Altstadt, die zwar sehr überschaubar, aber außerordentlich pittoresk ist. Der Dom und das Schloss überragen die Fachwerkhäuser und kleinen Gässchen in der Innenstadt und bilden zusammen ein tolles architektonisches Ensemble. Sogar die Sonne lässt sich kurz sehen. Der perfekte Abschluss für eine bunte und vielseitige Kurzreise.
Am Freitagabend stand mal wieder ein Besuch im Hagener Theater an. Auf dem Programm: die Oper „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber. Es war wie beinahe jedes Mal, wenn ich dort bin: Das Schauspielhaus überzeugt mit einer kurzweiligen, ideenreichen, aber nicht zu „abgedrehten“ Inszenierung. Engagierte Musiker*innen und Sänger*innen sorgen für einen rundum gelungenen und unterhaltsamen Opernabend.
„Der Freischütz“: Viel Romantik und sehr „deutsch“
Die im Juni 1821 uraufgeführte romantische Oper hat eine fast schon rührselige, märchenhafte Handlung, die in einem romantisch-idealisierten Jagdmilieu spielt.
Die Geschichte dreht sich um den Jäger Max, der den Wunsch hegt, Agathe, die Tochter des Erbförsters, zu ehelichen. Durch diese Heirat würde er in die Rolle des künftigen Försters aufrücken. Die Hochzeit wird jedoch nur möglich, wenn Max den sogenannten Probeschuss besteht – ein Brauch, den der Landesfürst eingeführt hat. Nur wer trifft, darf nächster Erbförster werden und die Tochter des bestehenden Amtsinhabers heiraten.
Max ist voller Sorge, ob ihm der Probeschuss gelingt. Am Vortag beim Schützenfest hat er das Ziel verfehlt. Er wird von seinem vermeintlichen Gefährten Kaspar, der ebenfalls um Agathes Gunst geworben hatte und abgewiesen wurde, dazu verleitet, sich mit „Freikugeln“ auszustatten. Diese sind mit schwarzer Magie gegossen. Von insgesamt sieben Kugeln treffen sechs das gewählte Ziel. Die siebente „gehört dem Teufel“ und wird von ihm gelenkt. Kaspar sucht nach Rache für seine Zurückweisung und so handelt er mit dem Teufel aus, dass die letzte Kugel Agathe treffen soll.
Begleitet von Agathes düsteren Ahnungen begibt sich Max zusammen mit dem Fürsten auf die Jagd. Dort verschießt er drei der Freikugeln, drei weitere hat Kaspar behalten und ebenfalls verschossen. Nicht wissend, dass es die letzte Kugel ist, zielt Max bei seinem Probeschuss auf eine Taube. Agathe möchte ihn aufhalten, doch sie kommt zu spät und sinkt – wie getroffen – zu Boden.
Als sich die Aufregung legt, erkennen die Umstehenden, dass Agathe lebt. Der heilige Eremit des Waldes ist erschienen, er hat die Kugel umgeleitet und stattdessen Kaspar getroffen. Der Fürst erfährt von den Freikugeln und ist entsetzt. Er will Max verbannen und die Heirat verbieten. Doch der Eremit überzeugt ihn, dass Max aus Liebe und Verzweiflung gehandelt hat. Er bittet den Fürsten, den Probeschuss abzuschaffen und Max als Förster einzusetzen. Bewährt er sich, soll er nach Ablauf eines Jahres Agathe heiraten dürfen. Der Fürst ist einverstanden.
Das Motiv der „Häschen-Schule“ sorgt für Ironie
In der Inszenierung von Francis Hüsers wird das Geschehen in die Häschen-Schule aus dem bekannten Bilderbuch der 1920er-Jahre verlegt. Für mich ein sehr wirkungsvoller und gelungener Einfall, um das Naiv-kindliche und Biedere der Geschichte einzufangen und gleichzeitig ironisch zu brechen.
Alle Darstellenden haben Häschen-Ohren und ein Hasen-Schwänzchen, alle tragen lustige bunten Hosen und Hemden. Die Kulisse zeigt einen romantischen Wald und darin das Klassenzimmer der Häschen-Schule. Mit viel Witz und Dynamik wird vor diesem Hintergrund die Geschichte von Max und seinen moralischen Verirrungen erzählt.
Durch das Einbrechen des Bösen gerät die heile Welt der „Häschen“ in Schieflage: Während Max die Kugeln gießt, bricht die Bühnenkulisse in sich zusammen, geraten die Kostüme der Darstellenden immer mehr in Unordnung und sogar einige Häschen-Ohren knicken ab oder brechen gar ganz. Das macht den Figuren allerdings nur wenig aus, am Ende siegt das Gute und das Gottvertrauen.
Engagiertes Ensemble und eindrucksvolle Stimmen
Neben der einfallsreichen Inszenierung haben auch die Spielfreude und das Engagement des Ensembles dafür gesorgt, dass mich die Vorstellung von Anfang bis Ende „gepackt“ hat. Vor allem der hauseigene Chor, aber auch das Orchester und die Sänger*innen sind während der fast dreistündigen Oper mit großem Einsatz dabei.
Sehr gelungen war für mich auch die Besetzung: Der Tenor Alexander Geller spielt einen wunderbaren Max, hilflos und kindlich, verzweifelt und verliebt. Auch gesanglich ist er mitreißend und überzeugend. Sein „Verführer“, der „böse“ Kaspar, ist ebenfalls treffend besetzt: Insu Hwang setzt mit seinem tollen Bariton einen dämonischen Gegenpart zur heimeligen Häschen-Idylle.
Gut gefallen haben mir außerdem die Frauen-Rollen: Dorothea Brandt als Agathes treue Freundin Ännchen strahlt Optimismus und Lebensfreude aus und passt sich wunderbar in das Bild der Häschen-Schule ein. Agathe als ernste und von dunklen Vorahnungen geplagte Braut wird gesungen von Angela Davis – und das für meine Ohren mit viel gesanglichem Können.
Insgesamt sind sämtliche Rollen gut und passend besetzt. „Der Freischütz“ im Theater Hagen ist für mich eine stimmige und gelungene Inszenierung. Dies scheinen alle an diesem Abend so zu erleben, denn die Vorstellung erhält Standing Ovations vom Publikum.
Wer sich den Freischütz im Theater Hagen anschauen mag, muss schnell sein. Die vorerst letzte Vorstellung gibt es am 27. Januar 2024.
Am 1. September fand das erste Barcamp „Ökologische Nachhaltigkeit in der Kultur“ statt. Geladen hatte die Kulturentwicklungsplanung (KEP) der Stadt Köln. Deren Ziel es ist, Perspektiven und Ziele zu erarbeiten, mit welchen die Kölner Kunst und Kulturszene gestärkt und gefördert werden kann. Wir sind der Einladung hierzu gerne gefolgt.
Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Sie prägt zunehmend jeden Bereich unseres Lebens, und die Kultur bildet da keine Ausnahme. Umso erfreulicher, dass die Stadt Köln das Thema im Rahmen der 2019 beschlossenen Kulturentwicklungsplanung kontinuierlich unterstützen will. Unter anderem in Form eines Barcamps. Als Veranstaltungsort wurde das Bürger- und Kulturzentrum Stollwerck in der Kölner Südstadt gewählt.
Zum Auftakt erklärte Stefan Charles, Beigeordneter für das Dezernat Kunst und Kultur, dass ein Aktionsnetzwerk aus Berlin die Stadt Köln im Projekt „Köln hoch 3 – Kultur weiterbilden, bilanzieren, transformieren“ bereits unterstützt hat und auch weiterhin begleiten wird. Das Barcamp markierte tatsächlich den offiziellen Start von „Köln hoch 3“. Für dieses Projekt hat das Dezernat eigens eine Stelle eingerichtet. Ziel ist es, Ausstellungen und Aufführungen in unserer Stadt klimafreundlicher zu gestalten. Beteiligt sind insgesamt 18 Kölner Kulturstätten.
Um einen tieferen Einblick in das Thema zu gewähren, folgte im Anschluss ein kurzer, aber aufschlussreicher Impulsvortrag von Dr. Carolin Baedecker vom Wuppertal Institut für anwendungsorientierte Nachhaltigkeitsforschung, einer wissenschaftlichen Einrichtung des Landes NRW. Die Mission des Instituts liegt darin, durch Realexperimente die Forschung an der Schnittstelle von Praxis und Theorie zu fördern.
Ein besonders prägnanter Aspekt ihres Vortrags war der Hinweis auf die Bedeutung, den Klimawandel greifbarer und intuitiver zu machen. Als Beispiel führte sie die „Warming Stripes“ von Ed Hawkins aus dem Jahr 2016 an. Jeder farbige Streifen repräsentiert dabei die durchschnittliche Jahrestemperatur im Vergleich zum Durchschnitt des 20. Jahrhunderts: Blau symbolisiert kältere, Rot wärmere Jahre. Hawkins Designkonzept stieß auf große Resonanz und führte zu einem regelrechten Trend. Seither sind zahlreiche Produkte im „Warming Stripes“-Design erhältlich, darunter Bettwäsche, Handtücher, Flipflops und vieles mehr.
Im Weiteren hob Dr. Baedecker die Bedeutung der 17 globalen Nachhaltigkeitsziele hervor. Besonders im Blickpunkt der Kultur stehen die Ziele Nummer 12 („Nachhaltiger Konsum & Produktion“) und 17 („Partnerschaften zur Erreichung der Ziele“). In Hamburg beispielsweise initiierten Kulturbetriebe das Projekt „Elf zu Null – Hamburger Museen handeln“. Mit Hilfe von Experten legten die beteiligten Museen ihre CO2-Bilanzen fest, um eine nachhaltige Veränderung herbeizuführen. Ein weiteres Projekt, das Dr. Baedecker in diesem Zusammenhanf hervorhob, realisierte die Oper Wuppertal, die in Zusammenarbeit mit dem Wuppertal Institut ein Selbstanalyse-Tool für die Nachhaltigkeitsbewertung kreierte.
Das Thema Nachhaltigkeit kunstvoll inszenieren
Auch die Kunst selbst kann das Thema Nachhaltigkeit in ihren Fokus rücken, wie Carolin Baedecker weiter ausführte. Der erste, der dies eindrücklich tat, war Joseph Beuys, als er 1982 im Rahmen der documenta 7 den Gedanken „Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ prägte, um die Bedeutung von Natur und Ökologie im urbanen Raum zu betonen. Beispiele aus der Gegenwart sind das Schauspielhaus Bonn, welches das Buch der Transformationsforscherin Maja Goepel auf die Bühne gebracht hat, oder auch die Ausstellungen „Ökorausch“ und „Between the Trees“ des Kölner Museums für Angewandte Kunst (MAKK). Bei all diesen Realexperimenten gehe es darum, den Raum für den Menschen mit der Natur neu erfahrbar zu machen und so den Dialog zwischen Mensch und Natur durch Kunst und Kultur neu zu definieren. Viele weitere Beispiele zu „Kunst, Kultur und Nachhaltigkeit“ finden sich auf der gleichnamigen Website.
Dr. Baedecker machte aber auch klar: Um eine nachhaltige Neuausrichtung im Kunst- und Kultursektor zu bewirken, sind sowohl Raum als auch finanzielle Unterstützung unabdingbar. In Sachen „Raum“ hat das Wuppertal Institut in Zusammenarbeit mit der Fakultät für Design und Kunst der Bergischen Universität Wuppertal und 14 weiteren Partnern, darunter creative.nrw, die Kooperationsplattform Transform.NRW ins Leben gerufen. Dort sollen die Kräfte von Kunst, Kultur und Design gebündelt werden, um nachhaltige Entwicklungen voranzutreiben.
Nachhaltigkeit braucht positive Zukunftsbilder
Der zweite Impulsvortrag nahm dann nochmal eine andere Perspektive ein. In ihrer Keynote „Die Kunst der Transformation: Wie sich Kunst, Wissenschaft & Innovation verbinden lassen, um die größten Herausforderungen der Welt zu bewältigen“ stellte Nicole Loeser heraus: Bei den Budgetierungen für nachhaltige Konzepte gibt es unterschiedliche Bewertungen. Die Kultur komme meist zuletzt, die Wirtschaft zuerst. Dabei sei die Kunst wesentlich, wenn es um das Darstellen und kritische Hinterfragen gehe. Aufgabe der Wissenschaft sei es, dazu zu forschen. Bleibt die herausfordernde Frage: Wie bekommt man Kultur, Wissenschaft und dann noch die daraus resultierende Innovation zusammen? Nicole Loeser appellierte in ihrem Vortrag dafür, systemisch zu denken und neue Ideen zur Schaffung von Kooperation zu entwickeln. Aus dieser Motivation heraus hat sie das Institute for Art and Innovation (IFAI) in Berlin mitgegründet. Dort kreieren multistake Kooperationen auf EU-Ebene große Visionen. Im Rahmen des IFAI-Projekts „Art for Futures Labs“ etwa würden positive Zukunftsbilder geschaffen. In den Workshops zeige sich deutlich, so Loeser, dass den Teilnehmenden dies kaum noch gelinge – auch, weil ihnen das Wissen über innovative Konzepte schlicht fehle. Genau da setzt ein weiteres Projekt von IFAI namens „Green Education in Media“ an. Denn, so eine weitere Erfahrung von Nicole Loeser: Bei den Lehrenden an unseren Hochschulen fehle es häufig an Wissen zu neuer Technik und neuen Formaten.
Mit ihrem persönlichen Statement „Kunst ist die Wissenschaft der Freiheit“ und dem Hinweis auf den Satz von Gerhard Richter „Kunst ist die höchste Form der Hoffnung“ (Gerhard Richter) rundete Nicole Loeser ihren eindrucksvollen Vortrag ab.
Nachhaltige Konzepte und Ideen in die Kommunikation miteinbeziehen
In nahezu allen Sessions, an denen ich teilnahm, war das Thema „Kommunikation“ präsent. Einige Mitarbeitende der Kölner Kulturbetriebe überlegten, wie die Öffentlichkeit ihre Bestrebungen hin zu mehr Nachhaltigkeit wohl wahrnehmen und ob sie ausreichend informiert würden. Andere zweifelten, ob die Publika daran denn überhaupt interessiert seien. Viele waren aber überzeugt, dass Social Media ihnen eine unschätzbare Möglichkeit bietet, Gäste und Besuchende auf ihrem Weg zu einer nachhaltigen Kunst- und Kulturlandschaft in Köln mitzunehmen. Dem stimme ich voll und ganz zu. Dank Plattformen wie Instagram können Kulturstätten sowohl neue als auch jüngere Zielgruppen ansprechen und gleichzeitig ältere Generationen für den gesellschaftlichen Impact des Themas sensibilisieren.
Besucher*innen von Kulturstätten reflektieren dabei wahrscheinlich selten, welche Ressourcen – Zeit, Energie und Geld – benötigt werden, um den Kulturbetrieb sukzessive nachhaltiger zu gestalten. Dies wurde mir selbst in der Session „Nachhaltigkeitskultur Köln in der Clubszene“ besonders bewusst. So hat beispielsweise die Initiative „Zukunft feiern“ mit ihrem „Clubtopia: Feiern, als gäbe es ein Morgen“-Ansatz ein ausführliches, kostenfreies Nachhaltigkeitskonzept für die Berliner Clubszene erarbeitet. Der daraus resultierende Code of Conduct wird von immer mehr Clubbetreiber*innen angenommen. Meiner Ansicht nach sollten die beteiligten Clubs dieses Thema fest in ihre Kommunikationsstrategie integrieren. In der Session wurde dieser von mir geäußerte Vorschlag dahingehend kritisiert, dass dies zusätzlichen Aufwand und somit Kosten verursache. Mein Gegenargument: Wenn es bereits eine gemeinsame Initiative gibt, könnte diese auch eine Art gemeinsame Kommunikationsstrategie für die Clubbetreiber*innen entwickeln – etwa durch visuelle Vorlagen, die dann von allen genutzt werden können. Auch das wäre nachhaltig.
Gemeinsam, kontinuierlich und strukturiert
In der Kunst- und Kulturszene ist Nachhaltigkeit mittlerweile unausweichlich. Doch wie diese Herausforderung konkret angegangen werden soll, scheint vielen noch unklar zu sein. Das überrascht mich nicht, denn ein nachhaltiges Vorgehen ist ein komplexes, anspruchsvolles und stetiges Unterfangen. Der Schlüssel liegt aus meiner Sicht im gemeinsamen Handeln und im kontinuierlichen Austausch.
Das Barcamp hat hierfür einen Ausgangspunkt geschaffen. Es hat die Bedeutung des stetigen Dialogs zwischen den Kölner Kulturbetrieben und den darin engagierten Personen hervorgehoben. Eine offene Frage für mich ist jedoch, ob es nicht auch klare Richtlinien seitens der Stadt geben sollte, die den Akteuren im Kulturbereich einen Rahmen für ihre Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit bieten. Die Gründung der Koordinationsstelle „Nachhaltigkeit in der Kultur“ könnte bereits ein Schritt in diese Richtung sein.
Historisch informierte Fassung der Wagner-Oper in der Kölner Philharmonie
Während man in Bayreuth dieses Jahr auf Digitalisierung setzt und Augmented Reality-Brillen bei den Wagner-Festspielen verteilt (leider nur an einen Teil des Publikums), zeigte uns am vergangenen Wochenende das Projekt „Wagner-Lesarten“ in einem Konzert in der Kölner Philharmonie, wie Wagner möglicherweise vor 141 Jahren geklungen haben mag. Ganz ohne Bühnenbild und Regie, nur in konzertanter Aufführung unter dem Dirigat von Kent Nagano.
Spontan eingeladen von einem befreundeten Nachbarn war ich auf die Aufführung am vergangenen Freitag wenig vorbereitet. Wagners „Rheingold“ habe ich bisher nie gehört oder gesehen (auch der Nachbar nicht), überhaupt ist mir von Wagner bislang nur „Tannhäuser“ „untergekommen“, da ich mich an den Ring bislang nicht so recht getraut habe. Jetzt also „Rheingold“, das Vorspiel zum Ring des Nibelungen. Wir sind gespannt.
Das Projekt „Wagner-Lesarten“ erarbeitet die Aufführungshistorie
In der Einführung zur Oper erfahren wir mehr über den Hintergrund der Aufführung: 2017 starteten Concerto Köln, die Kunststiftung Köln und der Dirigent Kent Nagano das Projekt „Wagner-Lesarten“. Ziel war es, in einem wissenschaftlich-künstlerischen Rahmen eine sogenannte „historisch informierte“ Fassung von „Rheingold“ zu erarbeiten und auf die Bühne zu bringen. Der Begriff „historisch informiert“ bedeutet, dass möglichst umfassend recherchiert wird, wie „Rheingold“ zu Lebzeiten Wagners aufgeführt wurde. Diese Erkenntnisse werden in eine aktuell aufführbare und akzeptable Fassung transformiert.
Das Gesamtprojekt dauerte (durch Corona verlängert) von 2017 bis 2021. Es wurden historische Instrumente gebaut oder bestehende Instrumente modifiziert, Workshops und historische Forschungsarbeiten zum damaligen Verständnis von Gesang und Sprache wurden durchgeführt und möglichst viele Lücken der Rezensionsgeschichte gefüllt. Ein ebenso spannendes wie umfangreiches Projekt.
Das Ergebnis kam zuerst 2021 auf die Bühne. Am vergangenen Wochenende wurde es erneut vom Dresdner Festspielorchester unter der Leitung von Kent Nagano aufgeführt.
Ein Abend mit besonderem Klang – und besonderen Herausforderungen
Den besonderen Klang dieses Abends behält man lange in Erinnerung. Wagner bietet für seine Oper „Rheingold“ ein großes Orchester auf. Allein vier Harfen und vier Schlagwerke sind auf der Bühne vertreten. Dazu die vielen teils historisch nachgebauten Blechblas-Instrumente, die für voluminösen und teilweise mystischen Klang sorgen. Ein Orchester mit „Wumms“.
Anders als bei einer regulären Opernaufführung verschwinden die Musiker*innen nicht im Orchestergraben, sondern bilden das Zentrum des Geschehens. Die Musik und der Gesang dominieren den Abend, in keiner Weise abgelenkt durch Bühnenbild oder Kostüme. Für mich als „Wagner-Einsteigerin“ hat das sowohl Vor- als auch Nachteile.
Die Darbietung ohne einen modernen Regie-Ansatz erlaubt es, Wagner ganz „pur“ und darüber hinaus möglichst nah am historischen Original kennenzulernen. Das ist beeindruckend und besonders. Man ist ganz auf die Musik konzentriert und bekommt durch die überragende Leistung von Orchester, Sängerinnen und Sängern ein sehr gutes Verständnis von den großen musikalischen Herausforderungen einer Wagner-Oper.
Dabei fällt auf, wie szenenbeschreibend und lautmalend Wagner „Rheingold“ komponiert hat. Wenn z. B. von Donner die Rede ist, wird ein Donnerlaut produziert, wenn es um die Rhein-Nixen geht, hört man Gewässer-Klänge. Wagners Musik bleibt immer ganz nah am Geschehen und scheint in erster Linie darauf ausgelegt, die Handlung zu untermalen, zu verstärken und mit starken Emotionen zu verbinden. Das ist spannend, führt aber auch dazu, dass die Musik oftmals wenig gefällig daherkommt und irgendwie (man verzeihe mir als Laie diese Beschreibung) nicht so ohne Weiteres durchhörbar anmutet.
Auch Handlung und Libretto der Oper werden durch keine Bühnen-Dramaturgie „abgemildert“ und müssen ebenso wie die Musik für sich selbst sprechen. Das wiederum ist für mich eine echte Herausforderung und bereitet mir Schwierigkeiten.
Die Handlung der Oper „Rheingold“
Kurz zur Handlung: Die drei Nixen Wellgunde, Floßhilde und Woglinde tollen im Fluss Rhein, ihrem Element. Zwerg Alberich beobachtet und begehrt sie. Sie locken ihn zunächst, dann stoßen sie ihn zurück. Im Rhein glänzt das Rheingold, das die Nixen bewachen sollen. Alberich – enttäuscht von der Zurückweisung durch die Nixen – verflucht die Liebe und stiehlt das Gold. Dadurch, dass er der Liebe abgeschworen hat, kann er einen Ring aus dem Gold schmieden, der ihm die Weltherrschaft verleiht.
Zeitgleich stellt Gott Wotan auf Walhall seine Burg fertig. Er hat sie durch die Riesen Fasolt und Fafner bauen lassen. Als Lohn hat er ihnen die Schwester seiner Gattin, die schöne Freia, versprochen. Nun möchte er diesen Lohn nicht zahlen, sondern sucht nach einer Ausflucht aus dem Vertrag. Das gestohlene Gold der Rheintöchter kommt ihm dazu gerade recht. Er will es Alberich wieder entreißen und damit die Riesen bezahlen.
Wotan gelingt es, das Gold zu rauben und Alberich auch den Ring, der ihm Macht verleiht, abzunehmen. Alberich verflucht den Ring und prophezeit, dass er jedem den Tod bringt, der ihn besitzt. Das erbeutete Gold übergibt Wotan den Riesen, doch diese fordern auch den Ring. Sofort streiten sie sich über dessen Besitz und Fafner erschlägt Fasolt.
In der letzten Szene ziehen Wotan und die übrigen Götter in Walhall ein und es kündigt sich ihr baldiger Untergang an.
Überragende Künstler erleichtern die schwierige Annäherung an Wagner
Operngeschichten sind ja selten besonders herausragend und vielmals etwas bizarr, aber es fällt mir diesmal besonders schwer, der Handlung von „Rheingold“ etwas abzugewinnen. Möglicherweise rührt dies auch von dem seltsam anmutenden Libretto, das gleich zu Anfang beginnt mit Sätzen wie: „Weia! Waga! Woge, du Welle, walle zur Wiege! Wagalaweia! Wallala, weiala weia!“ oder „Floßhilde, schwimm´! Woglinde flieht: Hilf mir die Fließende fangen.“ Auch hier setzt Wagner stark auf Lautmalerei. Dadurch verwendet er eine Sprache, die zumindest gewöhnungsbedürftig ist.
Nach 2,5 Stunden Aufführung ohne Pause – eine echte Mammutaufgabe für die Künstler*innen –muss ich sagen, dass ich den Weg zum Wagner-Fan noch nicht gefunden habe. Mein Nachbar übrigens auch nicht. Dennoch war der Abend überaus interessant und künstlerisch ein absolutes Highlight.
Die fast voll besetzte Philharmonie spendete zu Recht begeisterten Applaus für das überragende Orchester und die komplette Gesangsbesetzung, allen voran Simon Bailey als Wotan, Mauro Peter als Wotans Ratgeber Loge, Annika Schlicht in der Rolle der Göttergattin Fricka und natürlich der Bösewicht Alberich, gesungen von Daniel Schmutzhard.
Sicher werde ich mich noch ein zweites Mal an Wagners Ring wagen (jetzt will ich es wissen), dann aber eher in einer Opern-Aufführung. Für diejenigen, die die tolle Arbeit des Projektteams „Wagner-Lesarten“ und von Kent Nagano ebenfalls erleben und einen konzertanten Wagner hören möchten: Das Projekt wird fortgesetzt. Im März 2024 kommt „Die Walküre“ auf die Bühne der Philharmonie.
Umstrittene Inszenierung von Lotte de Beer stellt Geschlechter-Rollen in den Mittelpunkt
Ich hatte schon einiges von der Inszenierung der Oper Carmen in Essen gehört, die diese Saison als Wiederaufnahme im Programm war. Meine Freundin erzählte sehr begeistert von ihrem Besuch der Erstaufführung 2018, aber es gab auch verschiedene kritische Stimmen im Netz, wie zum Beispiel eine Rezension vom Deutschlandfunk.
Aus Termingründen hatte ich den Besuch der diesjährigen Wiederaufnahme von Carmen bislang nicht geschafft und war froh, wenigstens die letzte Vorstellung am 24. Juni 2023 noch besuchen zu können. Gemeinsam mit meinem Sohn und einer Freundin verbrachten wir einen kurzweiligen Abend in Essen mit grandioser Musik und vielen „Opern-Hits“.
Liebe, Freiheit und die Macht der Verführung
Die Geschichte von Carmen ist sicher sehr vielen bekannt: Es geht um eine schöne Zigeunerin, in die sich die Männer reihenweise verlieben. Vor allem der Soldat Don José verfällt der freizügigen und temperamentvollen Carmen. Sie erhört ihn, aber verlangt von ihm, dass er desertiert und mit ihr als Gesetzloser in den Bergen lebt. Nachdem sie dort gemeinsam einige Zeit verbringen, fühlt sich Carmen zu sehr von Don José eingeengt und trennt sich von ihm. Sie schenkt ihr Herz dem Torero Escamillo und will zu ihm gehen, obwohl Don José sie anfleht, bei ihm zu bleiben. Aus Eifersucht und Verzweiflung ersticht Don José am Ende Carmen.
Die 1875 uraufgeführte Oper von Georges Bizet spielt mit der Beziehung zwischen Männern und Frauen. Es geht um Liebe – natürlich –, aber auch um Freiheit, starke und schwache Rollenbilder und um die Macht der Verführung. Carmen wird als „Femme fatal“ dargestellt, als unzähmbare und begehrenswerte starke Frau, aber auch als „Vamp“, der die Männer in den Abgrund stößt. Don José wird als verführbar, schwach und der Liebe ausgeliefert gezeichnet, er ist das „Opfer“ von Carmen.
Foto: Matthias Jung, Theater und Philharmonie Essen GmbH
Wechselnde Kostüme und eine Bühne in Bewegung
In der Inszenierung von Lotte de Beer stehen diese Geschlechterbeziehungen im Mittelpunkt. Sie hinterfragt die Rollenbilder, indem sie alle Protagonisten einheitlich kleidet. Mal tragen alle Darsteller das identische einfache Kleid, mal sind sie alle in Hemd und Hose gekleidet. Es wird blitzschnell zwischen Männer- und Frauenkleidung gewechselt, oft tragen die Frauen Männerkleidung und umgekehrt.
So reduziert wie die Kostüme ist auch das Bühnenbild. Ein sand-gelber Kreis in der Mitte der Bühne stellt die Arena dar, in der sich die Handlung abspielt. Bewegung entsteht nur dadurch, dass die Bühne sich in einigen Szenen hebt oder senkt, so dass Etagen entstehen, auf denen sich die Protagonisten platzieren können.
Foto: Matthias Jung, Theater und Philharmonie Essen GmbH
Durch diese uniforme und schlichte Ausgestaltung der Oper wird alles fokussiert auf die Frage der Geschlechter. Es gibt keine Individuen, sondern nur Männer und Frauen, die sich als Gegner gegenüberstehen und genauso gut jeweils die Rolle des anderen übernehmen können, wenn sie nicht in bestimmter Weise geprägt wären. Diese Prägung wird symbolisiert durch zwei Kinder, die immer wieder im Geschehen auftauchen (ein Mädchen und ein Junge) und daran erinnern, dass Männer und Frauen sich in ihrem Verhalten entwickelt haben.
Gelungener Opernabend mit grandioser Musik
Insgesamt ist die Idee des Rollen- und Geschlechterkampfes sicher passend und für die Oper Carmen auch eine zutreffende Deutung. Allerdings hat Carmen aus meiner Sicht mehr zu bieten als nur das Thema Rollenbilder. Die einseitige Fokussierung auf dieses Thema mit den immer gleichen Instrumenten (Kostümwechsel, Auftritt der Kinder) ist für mich eine etwas zu einseitige Erzählweise, die viele weitere Facetten der Geschichte „überdeckt“. Gefallen hat mir allerdings das schlichte Bühnenbild, das sehr eindrucksvoll Raum schafft für die Protagonisten und die Musik.
Ein gelungener Opernabend ist die Aufführung von „Carmen“ dennoch. Dies liegt vor allem an der musikalischen Leistung des gesamten Ensembles. Orchester und Chöre singen und spielen fabelhaft, vor allem der Kinder- und Jugendchor begeistert mich sehr. Die Dirigentin Katharina Müllner führt das Orchester mit Tempo und Emotion durch den Abend. Es wird keine Sekunde langweilig.
Foto: Matthias Jung, Theater und Philharmonie Essen GmbH
Eindrucksvolle Darsteller im Aalto-Theater in Essen
Eindrucksvoll sind auch die Sängerinnen und Sänger in den Hauptrollen: Mein Favorit ist Lisa Wittig als Micaela, die tugendhafte Jugendfreundin von Don José und das Gegenbild von Carmen. Überzeugend sind auch Tenor Luis Chapa als Don José und sein Gegenspieler Escamillo in der Besetzung von Almas Svilpa.
Die Hauptfigur Carmen wird gesungen von Mezzo-Sopran Bettina Ranch. Sie bringt Carmen sehr rau und kühl auf die Bühne, für mich ein wenig zu holzschnittartig. Ihre gesangliche Leistung ist allerdings ebenfalls beeindruckend und ihr stimmliches Können selbst für mich als Laie deutlich hörbar.
Insgesamt war „Carmen“ in Essen ein kurzweiliges und sehr emotionales Opern-Vergnügen und der Besuch des Aalto-Theaters im Herzen des Ruhrgebiets hat sich wieder einmal sehr gelohnt. Ich freue mich schon auf die kommende Spielzeit, bei der vor allem Verdis Macbeth meine Neugier weckt…