Premiere von „Wozzeck“ in Essen: Der Wahnsinn als Leitmotiv

Von |2024-05-27T15:32:31+02:0027.05.2024|Allgemein, Oper|

Am Wochenende stand ein Besuch im Aalto Theater in Essen auf dem Programm, es ist Premiere der Oper „Wozzeck“ (Woyzeck) von Alban Berg. Ich mache mich auf einen schwierigen Opernabend gefasst, da sowohl das Stück „Woyzeck“ als auch die Musik von Alban Berg zumindest für mich nicht gerade leichte Kost darstellen. Da ich die Oper nicht kenne, bin ich gespannt, wie Alban Berg die Geschichte des Anti-Helden Woyzeck auf die Bühne bringt. Tatsächlich passen Alban Berg und „Wozzeck“ ganz prima zusammen und ich erlebe einen spannenden und beeindruckenden Opernabend. 

Wozzeck / Woyzeck: der ewige Anti-Held 

Kurz zur Handlung: Alban Berg setzt in seiner Oper – sehr gekonnt wie ich finde – das Stück „Woyzeck“ von Georg Büchner um. Im Mittelpunkt des Dramenfragments steht der arme, verzweifelte Soldat Woyzeck, der in den gesellschaftlich unruhigen Zeiten der 1830er-Jahre durch seine aussichtslose Stellung in der Gesellschaft mehr und mehr dem Wahnsinn verfällt. Er wird von seinem Vorgesetzen erniedrigt und es gelingt ihm kaum, den Lebensunterhalt für sein uneheliches Kind und dessen Mutter Marie zu verdienen. Um sein Einkommen aufzubessern, stellt er sich für die Forschungsstudien eines skrupellosen Arztes zur Verfügung, der ihn durch eine Erbsendiät psychisch und physisch ruiniert. Als Woyzeck erfährt, dass Marie ihn betrügt, verliert er seinen Verstand vollständig und ersticht sie in geistiger Verwirrung. 

Der Komponist Alban Berg hatte Büchners Drama 1914 im Theater gesehen und beschlossen, dazu eine Oper zu komponieren. Sie wurde 1921 fertiggestellt und umfasst drei Akte und 15 Szenen. Mit seiner atonalen, expressionistischen Komposition unterstreicht Alban Berg die starke Emotionalität des Dramas und die tiefe Zerrissenheit der Hauptfigur in genialer Weise. 

Wahnsinniger Bilderrausch spiegelt den Irrsinn des Wozzeck 

In Essen wird die Oper von Martin G. Berger inszeniert. Ihm und dem Bühnenbild von Sarah-Katharina Karl gebührt besonderes Lob. Mit einer für mich sehr stimmigen Dramaturgie, viel Bühnentechnik und einer imposanten Licht-Installation verwandeln sie die Oper von Alban Berg in einen wahnsinnigen und kurzweiligen Bilderrausch, der wunderbar sowohl zu der Geschichte als auch zur Musik passt. Es werden alle technischen Register gezogen, die die Bühne hergibt, und dennoch wirken die Effekte – auch wenn es viele sind – insgesamt nicht übertrieben oder überladen. Im Gegenteil: Sie helfen mir, die Widersprüchlichkeit und den Irrsinn in Wozzecks Gedanken zu verstehen und seiner Perspektive zu folgen.  

Die Verrücktheit des Protagonisten Wozzeck (Woyzeck) wird zum Leitmotiv der Inszenierung in Essen. Sein Verfall in den Wahnsinn wird schon in der ersten Szene symbolisiert von drei Narren, die Wozzeck in seinem Wohnzimmer heimsuchen und ihn bedrängen. Er verliert mehr und mehr den Bezug zur Realität, hat Wahnvorstellungen und kann sich seiner Umwelt in seiner wirren Gedankenwelt nicht verständlich machen. Dadurch wird er immer stärker isoliert. Nur die Narren verstehen ihn und warnen ihn: Einer wie er würde entweder zum Narren oder zum Mörder. 

 

Szenenbild Wozzeck © Matthias Jung

Szenenbild Wozzeck © Matthias Jung

 

Ensemble Wozzeck © Matthias Jung

Ensemble Wozzeck © Matthias Jung

Alban Bergs atonale Musik fordert das ganze Ensemble 

Alban Berg hat die Geschichte des armen Soldaten Wozzeck mit seiner atonalen Musik stringent und mit viel Tiefgang vertont. Auch seine Musik hat – zumindest für mich als ungeübte Hörerin – viele wahnsinnige und verrückte Züge. Dirigent Roland Kluttig führt sein Orchester souverän durch die Berg- und Talfahrten der Komposition, mal mit leisen Tönen, mal mit voller Wucht.  

Auch die Sängerinnen und Sänger sind extrem gefordert, denn auch sie müssen – so scheint es mir zumindest – stimmlich über die Grenzen des „Normalen“ gehen. Vor allem die Besetzung Titelfigur, Heiko Trinsinger, leistet harte Arbeit in diesen knapp zwei Stunden. Er singt und spielt Wozzeck mit großem Engagement und ist in seiner Zerrissenheit für mich sehr überzeugend. Seine Gesangsleistung ist für meine Ohren grandios. Ebenso gut besetzt ist Deirdre Angenent als Marie, Torsten Hofmann als vorgesetzter Hauptmann und als Arzt Sebastian Pilgrim. Letztere spielen ihre Rollen mit viel Witz und Souveränität. Auch das restliche Ensemble ist gut besetzt und überzeugt an diesem Abend. 

Die zweistündige Aufführung hat alles in allem ein enormes Tempo und führt das Publikum rasant einerseits durch den tristen Alltag des ständig nervösen Wozzeck, andererseits durch den rasanten Wechsel der Wahnbilder, die den Protagonisten mehr und mehr im Griff haben. 

Szenenbild Wozzeck © Matthias Jung

Szenenbild Wozzeck © Matthias Jung

Albtraumhafter, aber tief beeindruckender Opernabend 

Es ist ein albtraumhafter Abend, der sicher nicht als leicht und unterhaltsam klassifiziert werden kann, dennoch aber zutiefst beeindruckt. Getrübt wird der Operngenuss allerdings für mich dadurch, dass es keine Pause gibt. Da ich Neue Musik nicht gewöhnt bin, habe ich die Aufführung als wirklich anstrengend erlebt. Ich hätte sehr gut nach der Hälfte eine Pause brauchen können, um durchzuatmen, aber die ist vom Komponisten wohl nicht vorgesehen. 

Wer Mut hat, für einen zwar anstrengenden, aber dennoch lohnenden Opernabend, dem kann ich „Wozzeck“ in Essen nur empfehlen. 


Die nächsten Vorstellungen: 31. Mai; 6., 23., 27. Juni; 6. Juli; Wiederaufnahme in der kommenden Spielzeit ab 21. September.


Headerfoto: Heiko Trinsinger (Wozzeck). © Matthias Jung

Ein gelungener Sonntag in Düsseldorf: Leckeres Steak in der Altstadt und eine eindringliche Opernvorstellung

Von |2024-03-07T15:00:16+01:0007.03.2024|Allgemein, Oper|

Der vergangene Sonntag war für meine Freundin und mich wie eine Reise durch verschiedene Länder: An einem frühlingshaften Sonntag genießen wir zuerst ein tolles Essen in einem wunderbaren argentinischen Restaurant mit einem herzlichen Team und lassen uns dann von einer minimalistisch inszenierten und gesanglich hervorragenden Oper nach Russland entführen.  

Ein Ausflug in die Düsseldorfer Altstadt 

Sonntagnachmittag ist eigentlich nicht die Zeit, in der ich üblicherweise in die Oper gehe. Jetzt war ich sogar zweimal hintereinander in der Sonntagsvorstellung: erst bei „Lohengrin“ in Hagen und diesmal in „Eugen Onegin“ in Düsseldorf. Aber zunächst bin ich zum Mittagessen verabredet.  

Bei sonnigem und überraschend warmem Wetter schlendere ich durch die Düsseldorfer Altstadt. Als Kölnerin bin ich da ja eher selten und stelle fest: Auch Düsseldorf hat durchaus seinen Charme.  

Ich bin mit meiner Freundin in einem Restaurant verabredet, von dem sie in einem Stadtmagazin gelesen hatte. Es liegt wirklich direkt in der Altstadt, nahe dem Rheinufer. Leider können wir nur drinnen sitzen, da das frisch eröffnete Restaurant erst in den kommenden Wochen seinen Außenbereich einrichten wird. Mit so viel Sonne Anfang März hatte niemand gerechnet. 

Ein Restaurant mit Herz und hervorragender Küche  

Es ist ein original argentinisches Steakhaus mit dem Namen Estilo Campo. Üblicherweise bin ich eher ein Freund nachhaltiger und regionaler Lebensmittel und daher ein wenig skeptisch, ob man wirklich Fleisch aus Argentinien importieren muss. Sicher kann man da geteilter Meinung sein, allerdings ist das Steak in diesem Restaurant wirklich etwas Besonderes und auch die Beilagen sind ein Genuss. 

Sowohl Inhaberin, Koch und auch das gesamte Team sind argentinischer Herkunft, soweit ich das aus den Gesprächen verstanden habe. Die Inhaberin erklärt uns, dass sie eigentlich einen Fleisch-Großhandel betreiben und die besten Steakhäuser in Deutschland beliefern würden. Vor einigen Monaten dann hätten sie entschieden, ein eigenes Restaurant aufzumachen. Wir sind extrem begeistert: Nicht nur das Essen ist wirklich außergewöhnlich lecker, auch der Service ist unglaublich zugewandt und die gute Sitte, dass der Koch von Tisch zu Tisch geht, habe ich auch schon lange nicht mehr erlebt. 

Ich wünsche jedenfalls diesem Restaurant von Herzen alles Gute, auch wenn es nicht mit regionaler Küche aufwartet. Der Besuch des Estilo Campo ist wie eine kleine Reise nach Argentinien und hat uns so viel Spaß gemacht, dass wir die Zeit vergessen haben und ziemlich überstürzt aufbrechen und zur Oper rennen müssen, um nicht zu spät zu kommen. 

Tschaikowskys „Eugen Onegin“: Minimalistische Inszenierung lässt Raum für große Gefühle 

Die Inszenierung von Tschaikowskys Werk Eugen Onegin, das uns in der „Deutschen Oper am Rhein erwartet, wurde schon in verschiedenen Artikeln besprochen. Ich hatte im Vorfeld zu der Inszenierung sowohl Negatives als auch sehr Positives gelesen und bin gespannt, auf welche Seite wir uns schlagen würden. 

Tatsächlich ist das Bühnenbild mit seiner Holzwand, die wie ein Bausteinsystem verschoben werden kann, sehr minimalistisch. Mal stellen die Holzquader eine einfache Wand dar, die die Darsteller je nach Kontext entweder einengt oder ihnen Raum gibt. Oder sie bildet eine Treppe, auf der sich das Ensemble bewegt. Ein einfaches Konzept, das Regisseur Michael Thalheimer da entwickelt, mit – wie ich finde – großer Wirkung. 

Das schlichte Bühnenbild und die ebenso schlichten Kostüme entwickeln für mich im Laufe des Abends eine überraschend ästhetische Wirkung: Das warme Holz im Hintergrund, die leichten Sommerkleider der Frauen, die lockeren Outfits der Männer bilden eine stimmige, sehr natürliche und luftige Atmosphäre, die unglaublich gut zu der Handlung passt. 

Eugen Onegin Opernvorstellung in Düsseldorf. Besetung: Katarzyna Kuncio (Larina), Ramona Zaharia (Olga), Ulrike Helzel (Filipjewna), Ekaterina Sannikova (Tatjana).

© Deutsche Oper am Rhein/Andreas Etter

Das Leben als Reihe von Enttäuschungen 

Die Geschichte ist sehr russisch, voller Melodram: Auf dem Landsitz der Witwe Larina leben ihre zwei Töchter Tatjana und Olga. Während Olga unbeschwert und optimistisch ihrer Ehe mit dem Kindheitsfreund Lenski entgegenblickt, ist Tatjana voller Schwermut und versinkt träumerisch in ihren Büchern.  

Als Lenski mit einem neuen Nachbarn, dem weltgewandten Eugen Onegin, zu Besuch erscheint, verliebt sich Tatjana sofort in diesen Fremden. Ganz gegen die Konventionen ihrer Zeit gesteht sie Eugen Onegin ihre Liebe in einem Brief. Der weist sie ab, da er nicht für die Ehe geschaffen sei.  

Bei einem kurz darauf stattfindenden Festball mach sich Onegin einen Spaß daraus, seinen Freund Lenski eifersüchtig zu machen, indem er mit Olga tanzt. Lenski ist außer sich, fordert Onegin zum Duell und wird von diesem erschossen. Anschließend reist Onegin jahrelang voller Schuldgefühle durch die Welt. 

Als er endlich zurückkehrt, trifft er in St. Petersburg Tatjana wieder und erkennt, dass sie die Frau seines Lebens ist. Diese ist allerdings inzwischen verheiratet und weist ihn ab. 

Peter Iljitsch Tschaikowsky erzählt diese unglückliche Liebesgeschichte voller Pathos. Der Weg durch das Leben wird in dieser Oper als ein Weg voller Enttäuschungen und Kompromisse gezeichnet. Während die Jugend voller Träume und Hoffnungen ist, haben sich die Älteren abgefunden mit Gewohnheiten und ihre Liebe meist durch Zweckbeziehungen ersetzt. 

Im Mittelpunkt der Oper stehen die hochfahrenden Träume und die tiefen Enttäuschungen der Protagonisten. Daher erlebe ich es als sehr passend, die Figuren in den Mittelpunkt zu stellen und den gesamten Fokus auf die Darsteller*innen zu legen.

Eugen Onegin Opernvorstellung in Düsseldorf. Ekaterina Sannikova (Tatjana).

© Deutsche Oper am Rhein/Andreas Etter

Großartige Stimmen und wunderschöne Musik 

Die Sängerinnen und Sänger werden aus meiner laienhaften Sicht ihren Rollen durchaus gerecht: Sie singen voller Emotion und Leidenschaft und können in dem mehr oder weniger leeren Raum durchaus bestehen. Sie sind alle überzeugend, so dass es mir schwerfällt, jemanden hervorzuheben. Besonders gefallen haben mir neben den Hauptdarsteller*innen die Kinderfrau Filipjewna, gesungen von Ulrike Helzel, und Sami Luttinen als Fürst Gremin. 

Die Hauptfiguren sind – aus meiner Sicht – sowohl schauspielerisch als auch gesanglich überzeugend und es gelingt ihnen mit ihrem großen darstellerischen Einsatz die starken Emotionen der Figuren zu vermitteln. Zu nennen sind Ekaterina Sannikova als Tatjana, Bodgan Baciu als Eugen Onegin und David Fischer (Zweitbesetzung) als Lenski.  

Die dreistündige Oper zeichnet sich sicher nicht durch Action und Schnelligkeit aus. Dennoch ist man mitgerissen und folgt dem Geschehen zwischen den Figuren voller Mitgefühl. Dafür sorgt natürlich auch die teilweise schwermütige und emotionale Musik voller russischer Seele, die Tschaikowsky für diese Oper komponiert hat. 

Es ist ein gelungener Sonntag, den wir in Düsseldorf erleben. Und es ist wie eine Reise in verschiedene Welten: erst Argentinien, dann Russland. 

„Lohengrin“ am theaterhagen: Einige Schwächen, aber insgesamt gelungene Premiere

Von |2024-02-26T13:44:43+01:0026.02.2024|Allgemein, Oper|

Ja, ich gebe zu, ich bin ganz schön oft in Hagen. Der Grund ist, dass eine gute Freundin von mir ein großer Fan dieses Theaters ist und dort ein Abo hat. Also bin ich auch dieses Wochenende mit ihr in die kleine Stadt am Rande des Ruhrgebietes gefahren. Diesmal sind wir bei der Premiere der Oper „Lohengrin“ von Richard Wagner. Ich bin sehr gespannt, denn diese Oper habe ich noch nie gesehen und meine Wagner-Erfahrungen sind ja – wie an anderer Stelle schon erzählt – eher begrenzt. Außerdem bin ich natürlich ein wenig auf dem „Wagner-Trip“, nachdem ich bei meiner Reise nach Bayreuth so viel Spannendes über den Komponisten erfahren habe. Und wieder mal muss ich sagen: Der Besuch des theaterhagen hat sich gelohnt. Es war ein schöner und kurzweiliger Abend.

Besonderes Werk mit wunderschöner Musik

„Lohengrin“ ist ein besonderes Werk, da Wagner mit dieser Oper seine neue Opernform begründete. Anders als die Komponisten vorher komponiert er nicht einzelne Abschnitte (Nummern) mit Rezitativen, Chorstücken und Arien, sondern ein durchgehendes Musikdrama. Das macht Wagners besondere Wirkung aus meiner Sicht aus, denn auf diese Weise zieht er das Publikum musikalisch sehr stark in seinen Bann – zumindest im Falle von „Lohengrin“.

Die Sage der Gralsritter wird erzählt

Die Geschichte basiert – wie fast immer bei Wagner – auf den deutschen Heldensagen: Es geht um den Gralsritter Lohengrin, Sohn des Parzival, der auf einem Schwan der Fürstin von Brabant zur Hilfe entsandt wird.

Nachdem der Fürst von Brabant verstorben ist, wachsen seine Kinder Elsa und Gottfried bei einem Vertrauten des Vaters, Friedrich von Telramund, auf. Eines Tages verschwindet Gottfried bei einem Spaziergang der Geschwister im Wald. Telramund beschuldigt Elsa, ihren Bruder getötet zu haben und wendet sich von ihr ab. Er hatte sie eigentlich zur Braut nehmen wollen, heiratet aber stattdessen Ortrud, die sich bald als die Böse der Geschichte erweist.

Ein Zweikampf soll entscheiden, ob Elsa schuldig oder unschuldig ist. Elsa muss in diesem Kampf von einem Ritter vertreten werden, und tatsächlich erscheint ein edler Schwertträger auf einem Schwan, der für Elsa gegen Telramund antritt. Der Ritter gewinnt den Zweikampf und damit auch Elsas Hand. Seine Bedingung ist allerdings, dass Elsa niemals nach seinem Namen fragen darf.

Von Ortrud ins Zweifeln gebracht, bricht Elsa ihren Schwur und will von ihrem Ritter wissen, wer er sei. Daraufhin muss dieser sein Geheimnis lüften: Er ist der Gralsritter Lohengrin und gesandt, um Elsa zu helfen. Einmal erkannt, darf er allerdings nicht bleiben, sondern muss zurück zum heiligen Gral. Bevor er Elsa verlässt, entzaubert er noch den Schwan, auf dem er anreiste: Es ist Gottfried, der von Ortrud verwandelt wurde.

Lohengrin-Besetzung: Insu Hwang, Tobias Haaks, Dorothea Herbert

©Theater Hagen

Vier anspruchsvolle Stunden mit viel Pathos und Drama

Die Oper wird in drei Akten erzählt und dauert ca. 3,5 Stunden mit zwei Pausen. Es ist eine wuchtige, sicher für alle Beteiligten auf der Bühne sehr anstrengende, aber auch temporeiche und spannende Oper, so dass wir uns in keiner Weise langweilen. Das theaterhagen bringt eine ordentliche Premiere auf die Bühne, allerdings merkt man, dass einige im Ensemble bei dieser anspruchsvollen Oper an ihre gesanglichen Grenzen stoßen. Dennoch: Wir verbringen einen schönen Abend und das Publikum, das sein theaterhagen liebt, reagiert mit stehendem Applaus.

Lohengrin und Elsa glänzen gesanglich

Inszeniert wird „Lohengrin“ von Nelly Danker. Sie entscheidet sich dafür, alle Figuren in den Kostümen verschiedener Vögel auftreten zu lassen. So ist Lohengrin ein Pfau, Elsa ein Schwan, ihre Kontrahentin Ortrud ist als Goldfasan kostümiert. Das passt ganz gut zu dem mystischen und sagenhaften Rahmen der Geschichte, wirkt aber dennoch ein wenig bemüht und uninspiriert. Immerhin: Das Bühnengeschehen wird dadurch sehr bunt und ist nett anzusehen.

Sehr gut besetzt sind die zwei Hauptrollen Lohengrin (Tobias Haaks) und Elsa (Dorothea Herbert). Beide haben unglaublich gewaltige und schöne Stimmen und spielen ihre Rollen sehr überzeugend. Nicht so gelungen wie sonst (zum Beispiel erst kürzlich im „Freischütz“) erscheint mir dagegen der Part von Insu Hwang, der den Telramund singt. Obwohl er mich sonst immer überzeugt hat, finde ich ihn an diesem Abend eher blass. Seine „Bühnen-Gemahlin“ Ortrud, gesungen von Angela Davis dagegen, füllt ihre Rolle sehr gut aus. Regelrecht deplatziert wirkt für mich Kenneth Mattice, der den Heerrufer des Königs spielt, und dessen Stimme der Rolle so gar nicht gewachsen scheint.

Dorothea Herbert in der Rolle der Elsa von Brabant

©Theater Hagen

Allerdings muss man sagen, dass das Orchester extrem „Gas gibt“ und mit viel Tempo und Begeisterung die wuchtigen Wagner-Melodien zum Besten gibt. Es spielt sehr toll, aber auch sehr laut. Es ist für Sänger*innen und Chor oft eine große Herausforderung, „gegen das Orchester anzusingen“. Vielleicht hätte Dirigent Joseph Trafton an der ein oder anderen Stelle die Instrumente zugunsten der Sängerinnen und Sänger etwas mehr zurücknehmen sollen. Aber ich bin zu sehr Laie, um das zu beurteilen.

Wie gesagt: Die Aufführung hat aus meiner Sicht einige Schwächen, ist aber dennoch eine gelungene Premiere. Obwohl die Herausforderung spürbar ist, hat sich theaterhagen unterm Strich an „ihrem Wagner“ nicht verhoben. Wir hatten jedenfalls wieder einmal sehr viel Spaß!

 


Foto Header: ©2023 – Theater Hagen gGmbH

Bamberger Symphoniker begeistern mit Brahms, Bach/Webern und Schumann

Von |2024-02-16T12:01:36+01:0016.02.2024|Allgemein, Unterwegs|

Auf unserer Kurzreise nach Bamberg und Bayreuth hatten wir das Glück, auch ein Konzert der Bamberger Symphoniker besuchen zu dürfen. In der Konzerthalle Bamberg spielt das Orchester unter Leitung von Nikolaj Szeps-Snaider Stücke von Brahms, Bach/Webern und Schumann. Wir erleben einen sehr emotionalen und musikalisch herausragenden Konzertabend.

Einladende und funktionale Konzerthalle

Die Konzerthalle Bamberg ist ein freundliches und helles Konzertgebäude. Bei widrigem Winterwetter stehen wir etwa eine halbe Stunde vor Konzertbeginn vor der imposanten breiten Glasfront, die das Foyer der Konzerthalle umgibt. Unser Abend beginnt beim ersten Sekt gleich mit einer sehr netten Begegnung: Wir kommen mit einem Ehepaar aus dem Bamberger Umland ins Gespräch, die uns von „ihren“ Symphonikern vorschwärmen. Sie versichern uns, dass wir einen besonderen Abend haben würden. Der Dirigent Nikolaj Szeps-Znaider habe das immer schon renommierte Orchester noch einmal „ein Stück nach oben gehoben“. Wir dürfen also gespannt sein.

Dirigent Znaider Lars Gundersen. Foto: Dirigent Znaider Lars Gundersen. Foto: © Andreas Herzau

Dirigent Nikolaj Szeps-Znaider. Foto: © Lars Gundersen

Brahms: Meisterhaftes Orchester mit virtuosem Pianisten

Als Erstes steht Johannes Brahms auf dem Programm. Gemeinsam mit dem Pianisten Saleem Ashkar bringen die Symphoniker das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 auf die Bühne. Wie schon mehrfach betont, bin ich selbst leider ein musikalischer Laie und kann wenig über Halbtöne, Interpretationen oder die Korrektheit von Ausführungen sagen. Auch bin ich in der sinfonischen Musik nicht so bewandert.

Bei dem Komponisten Brahms denke ich zunächst an ein Werk aus der Literatur: Françoise Sagan und ihren Roman „Lieben Sie Brahms?“. Dieses Buch hat mich schon als 16-Jährige fasziniert. Der feinsinnige, moderne Stil dieser Autorin ganz im Zeitgeist der 60er-Jahre ist seitdem für mich ganz eng mit Brahms verbunden.

Tatsächlich habe ich schon bei den ersten Takten des Konzerts den Eindruck, dass das Stück aus den Jahren 1854-1859 auch in die 1960er sehr gut passen würde. Mit einem temporeichen und wuchtigen Orchesterpart eröffnet Brahms sein Werk. Das Klavier ist von Beginn an aufgefordert, „alles zu geben“, um diesem Tempo und der Klangfülle zu folgen. Das fällt Saleem Ashkar meinem Gefühl nach überhaupt nicht schwer, denn er präsentiert dieses sehr lange und sinfonisch komplexe Klavierkonzert virtuos und mit unglaublich viel Gefühl. Überhaupt scheint ihm das Stück so vertraut zu sein, dass er es auswendig spielt, und diese Sicherheit hört man.

Pianist Saleem Ashkar. Foto: © Luidmila Jermies

Pianist Saleem Ashkar. Foto: © Luidmila Jermies

Piano und Orchester ergänzen sich in den kommenden 45 Minuten großartig, Brahms entwickelt eine Klangfülle und Eindringlichkeit, die ich so selten gehört habe. Die Bamberger Symphoniker und Saleem Ashkar spielen sich direkt in die Herzen des Publikums und schaffen es, starke Emotionen zu vermitteln. Der lange Applaus am Ende der Aufführung zeigt, wie sehr die Musiker*innen das Publikum in dem ausverkauften Haus begeistert haben.

Bach by Webern – Interessant!

Die zweite Darbietung ist eine Fuge von Bach in einer Orchesterfassung von Anton Webern aus dem Jahre 1934/35. Das circa achtminütige Stück ist deshalb interessant, weil die Komposition von Bach durch das Orchester zu schweben scheint, immer wieder verfremdet und von allen Instrumenten der Reihe nach erkennbar aufgegriffen wird. Ein sehr schönes Werk, das alt und neu auf wunderbare Weise verbindet: Webern und Bach, zwei Komponisten aus unterschiedlichen Jahrhunderten und unterschiedlichen Lebenssituationen. Durch Weberns Bearbeitung von Bach entsteht etwas Neues und durch und durch Aktuelles.

Schumann: Traurig und fröhlich zugleich

Den Schlusspunkt setzt Robert Schumanns Symphonie Nr. 2. Ebenfalls ein Werk, das ich noch nicht kannte bzw. noch nicht im Konzertsaal gehört hatte. Es entstand in den Jahren 1845/46.

In dem Stück fühlt sich der Dirigent Nikolaj Szeps-Snaider offenkundig ganz zu Hause. Das merkt man schon nach den ersten Klängen, denn er dirigiert ohne Partitur. Mit großem Einfühlungsvermögen und viel Spielfreude bringt das Orchester das ebenfalls recht komplexe und für meine Ohren sehr schwierige Stück zur Aufführung. Eine emotionale Achterbahnfahrt, denn nicht umsonst ist die Symphonie im Programmheft übertitelt mit „Tief traurig und jauchzend froh“. Ein großartiger Abschluss für diesen insgesamt gelungenen Abend!

Bamberger Symphoniker: Pflichtprogramm für Besucher*innen der Stadt

Bamberg heißt zurecht auch „Symphoniker-Stadt“. Das Ensemble ist ein echtes Highlight. Wer als Tourist anreist, sollte dieses besondere Erlebnis nicht verpassen!


Foto Header: Bamberger Symphoniker. Bild: © Andreas Herzau

„Der Freischütz“ in gelungener Häschenschul-Inszenierung

Von |2024-02-16T11:54:26+01:0022.01.2024|Allgemein, Oper|

Am Freitagabend stand mal wieder ein Besuch im Hagener Theater an. Auf dem Programm: die Oper „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber. Es war wie beinahe jedes Mal, wenn ich dort bin: Das Schauspielhaus überzeugt mit einer kurzweiligen, ideenreichen, aber nicht zu „abgedrehten“ Inszenierung. Engagierte Musiker*innen und Sänger*innen sorgen für einen rundum gelungenen und unterhaltsamen Opernabend.

„Der Freischütz“: Viel Romantik und sehr „deutsch“

Die im Juni 1821 uraufgeführte romantische Oper hat eine fast schon rührselige, märchenhafte Handlung, die in einem romantisch-idealisierten Jagdmilieu spielt.

Die Geschichte dreht sich um den Jäger Max, der den Wunsch hegt, Agathe, die Tochter des Erbförsters, zu ehelichen. Durch diese Heirat würde er in die Rolle des künftigen Försters aufrücken.  Die Hochzeit wird jedoch nur möglich, wenn Max den sogenannten Probeschuss besteht – ein Brauch, den der Landesfürst eingeführt hat. Nur wer trifft, darf nächster Erbförster werden und die Tochter des bestehenden Amtsinhabers heiraten.

Max ist voller Sorge, ob ihm der Probeschuss gelingt. Am Vortag beim Schützenfest hat er das Ziel verfehlt. Er wird von seinem vermeintlichen Gefährten Kaspar, der ebenfalls um Agathes Gunst geworben hatte und abgewiesen wurde, dazu verleitet, sich mit „Freikugeln“ auszustatten. Diese sind mit schwarzer Magie gegossen. Von insgesamt sieben Kugeln treffen sechs das gewählte Ziel. Die siebente „gehört dem Teufel“ und wird von ihm gelenkt. Kaspar sucht nach Rache für seine Zurückweisung und so handelt er mit dem Teufel aus, dass die letzte Kugel Agathe treffen soll.

Begleitet von Agathes düsteren Ahnungen begibt sich Max zusammen mit dem Fürsten auf die Jagd. Dort verschießt er drei der Freikugeln, drei weitere hat Kaspar behalten und ebenfalls verschossen. Nicht wissend, dass es die letzte Kugel ist, zielt Max bei seinem Probeschuss auf eine Taube. Agathe möchte ihn aufhalten, doch sie kommt zu spät und sinkt – wie getroffen – zu Boden.

Als sich die Aufregung legt, erkennen die Umstehenden, dass Agathe lebt. Der heilige Eremit des Waldes ist erschienen, er hat die Kugel umgeleitet und stattdessen Kaspar getroffen. Der Fürst erfährt von den Freikugeln und ist entsetzt. Er will Max verbannen und die Heirat verbieten. Doch der Eremit überzeugt ihn, dass Max aus Liebe und Verzweiflung gehandelt hat. Er bittet den Fürsten, den Probeschuss abzuschaffen und Max als Förster einzusetzen. Bewährt er sich, soll er nach Ablauf eines Jahres Agathe heiraten dürfen. Der Fürst ist einverstanden.

 

Das Motiv der „Häschen-Schule“ sorgt für Ironie

In der Inszenierung von Francis Hüsers wird das Geschehen in die Häschen-Schule aus dem bekannten Bilderbuch der 1920er-Jahre verlegt. Für mich ein sehr wirkungsvoller und gelungener Einfall, um das Naiv-kindliche und Biedere der Geschichte einzufangen und gleichzeitig ironisch zu brechen.

Alle Darstellenden haben Häschen-Ohren und ein Hasen-Schwänzchen, alle tragen lustige bunten Hosen und Hemden. Die Kulisse zeigt einen romantischen Wald und darin das Klassenzimmer der Häschen-Schule. Mit viel Witz und Dynamik wird vor diesem Hintergrund die Geschichte von Max und seinen moralischen Verirrungen erzählt.

Durch das Einbrechen des Bösen gerät die heile Welt der „Häschen“ in Schieflage: Während Max die Kugeln gießt, bricht die Bühnenkulisse in sich zusammen, geraten die Kostüme der Darstellenden immer mehr in Unordnung und sogar einige Häschen-Ohren knicken ab oder brechen gar ganz. Das macht den Figuren allerdings nur wenig aus, am Ende siegt das Gute und das Gottvertrauen.

 

Engagiertes Ensemble und eindrucksvolle Stimmen

Neben der einfallsreichen Inszenierung haben auch die Spielfreude und das Engagement des Ensembles dafür gesorgt, dass mich die Vorstellung von Anfang bis Ende „gepackt“ hat. Vor allem der hauseigene Chor, aber auch das Orchester und die Sänger*innen sind während der fast dreistündigen Oper mit großem Einsatz dabei.

Sehr gelungen war für mich auch die Besetzung: Der Tenor Alexander Geller spielt einen wunderbaren Max, hilflos und kindlich, verzweifelt und verliebt. Auch gesanglich ist er mitreißend und überzeugend. Sein „Verführer“, der „böse“ Kaspar, ist ebenfalls treffend besetzt: Insu Hwang setzt mit seinem tollen Bariton einen dämonischen Gegenpart zur heimeligen Häschen-Idylle.

Gut gefallen haben mir außerdem die Frauen-Rollen: Dorothea Brandt als Agathes treue Freundin Ännchen strahlt Optimismus und Lebensfreude aus und passt sich wunderbar in das Bild der Häschen-Schule ein. Agathe als ernste und von dunklen Vorahnungen geplagte Braut wird gesungen von Angela Davis – und das für meine Ohren mit viel gesanglichem Können.

Insgesamt sind sämtliche Rollen gut und passend besetzt. „Der Freischütz“ im Theater Hagen ist für mich eine stimmige und gelungene Inszenierung. Dies scheinen alle an diesem Abend so zu erleben, denn die Vorstellung erhält Standing Ovations vom Publikum.


Wer sich den Freischütz im Theater Hagen anschauen mag, muss schnell sein. Die vorerst letzte Vorstellung gibt es am 27. Januar 2024.


Titelbild: Kenneth Mattice, Oliver Weidinger, Dorothea Brandt, Angela Davis, Alexander Geller, Chor und Extrachor des Theaters Hagen. © Theater Hagen

Wie Blogger Relations für Kulturinstitutionen funktionieren (Teil 1)

Von |2020-07-14T12:55:24+02:0006.01.2016|Allgemein|

Das Thema Bloggen scheint im Kulturbereich noch immer nicht richtig angekommen zu sein. Rund 6.000 deutschsprachigen Museen stehen aktuell 97 Museums-Blogs (Stand 15. Dezember 2015) gegenüber. »Eine unglaublich schwindend geringe Zahl«, stellt Kulturbloggerin Tanja auf ihrem Blog fest. Dabei stellen Blogger eine unglaubliche Chance für Unternehmen und eben auch Kulturinstitutionen dar. (mehr …)

»All of Bach« bringt Klassik ins Social Web

Von |2020-07-14T12:56:24+02:0015.12.2015|Allgemein|

Das Musikerprojekt »All of Bach« steckt zwar noch in den Kinderschuhen, ist aber schon jetzt mehr als beeindruckend. Die Niederländische Bachvereinigung hat sich in den Kopf gesetzt,  anlässlich ihres 100-jährigen Jubiläums im Jahr 2021 alle Bachwerke als Video ins Netz zu stellen. Das sind insgesamt 1.080 Stücke, die nun Woche für Woche veröffentlicht werden. Bislang wurden bereits 95 Videos hochgeladen.

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Neues Portal soll Überblick hessischer Kunstangebote schaffen

Von |2020-07-14T12:56:36+02:0004.12.2015|Allgemein|

Manchmal muss man den Schritt wagen und sich von Altlasten befreien, so wie beim Onlineauftritt des Kulturportals für Hessen.  Kunst- und Kulturminister Boris Rhein hat sich für eine Modernisierung stark gemacht und mit Freude den Relaunch des Portals verkündet. Am 1. Juli war es so weit, das Portal war komplett überarbeitet worden und erstrahlte nun in neuem Glanz. Ab sofort sollen jährlich 90.000 Euro in Redaktion und technischen Support investiert werden.
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Ersetzen Tablets bald die klassischen Notenblätter?

Von |2020-07-14T12:56:57+02:0003.11.2015|Allgemein|

Kürzlich erzählte mir eine Kollegin begeistert von einem Beitrag über die »Brüsseler Philharmonie«, die angeblich auf klassische »Notenblätter« verzichtet und diese gegen das Tablet eingetauscht hat. »Wow«, dachte ich mir, dass sich die Digitalisierung gerade im Bereich des klassischen Orchesters durchgesetzt haben soll, hat mich fasziniert. Sogleich habe ich mich auf die Suche nach weiteren Informationen gemacht und stieß auf die erste Hürde: Dieser Beitrag ist bereits knappe drei Jahre alt. Aktuelle Infos darüber konnte ich nicht finden. Auch die allgemeine Suche nach »Tablets in der klassischen Musikszene« gestaltete sich zunächst als schwierig. Aber aufgeben wollte ich noch lange nicht: Ich grub mich durch kritische Foren, habe Ausschnitte aus Konzerten der Brüsseler Philharmonie gesichtet und letztlich sogar Interviews geführt. Dies brachte Erstaunliches ans Licht.

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